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Sarg niemals nie

Sarg niemals nie

Titel: Sarg niemals nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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John hinüber und umklammerte seinen Arm. Die beiden zogen sich ängstlich vor mir zurück.
    »Ihr habt mich doch sowieso schon für den Erhabenen gehalten. Was ändert das jetzt noch?«, gab ich zu bedenken.
    »Auch wieder wahr.« John blieb stehen. »Das hatte ich ganz vergessen.«
    »Hört mal.« Ich setzte mich wieder. »Das wird mir alles zu bunt. Wir haben Angst, wir sind müde, wir sind von Bergen toter Menschen umgeben. Das geht jedem an die Nieren, und erst recht Leuten wie uns, die vom mächtigsten Vampir der Welt gejagt werden. Wir müssen uns beruhigen.«
    »Du hast recht«, stimmte John zu und nahm neben mir Platz. »Tut mir leid, dass ich je an dir gezweifelt habe.«
    »Dann glaubst du nicht, dass ich der Erhabene bin?«
    »Jedenfalls nicht der andere Erhabene«, erklärte er. »Du kannst ja schlecht alle beide sein.«
    »Also werden Sie von dem mächtigsten Vampir der Welt gejagt.« Mary ließ sich an meiner anderen Seite nieder. »Und obendrein vom fanatischsten Vampirjägerdes ganzen Königreichs. Außerdem ist Ihnen eine Horde niederer Vampire auf den Fersen, die Sie einfach nicht in Ruhe lassen.«
    »Niedere Vampire?«, fragte ich. »Demnach sind Sie ihnen schon begegnet.«
    »Ihnen muss man aber auch alles dreimal erklären«, erwiderte Mary.
    »Allmählich bezweifle ich, dass wir Harrys Leiche irgendwann noch finden«, sagte ich.
    »Das sehe ich auch so«, stimmte mir John zu. »Es sei denn, er wendet sich von sich aus an uns und verlangt seinen Sarg zurück.«
    In diesem Moment vernahmen wir schwere Schritte hinter uns. Jemand kam langsam auf uns zu. Er war schwarz gekleidet, der Kopf war mit einer dunklen Kapuze bedeckt. Wenige Schritte vor uns blieb er stehen, blickte uns an und zog sich schließlich langsam die Kapuze vom Kopf. Er war ein alter, aber stattlicher Mann mit runzligem Gesicht und von vornehmer Eleganz, die vom lebenslangen Tragen teurer Kleidung zeugte. Ich riss den Mund so weit auf, dass ich eine Kiefernsperre befürchten musste.
    »Harry?«, flüsterte ich.
    »Ich habe Sie gesucht, denn Sie haben sich eins meiner Besitztümer angeeignet«, erklärte Harry Beard. »Wie Sie wissen, muss sich ein Vampir in seinen Sarg zurückziehen und in der Erde seiner Heimat ruhen. Mein Sarg befindet sich jedoch seit mehreren Tagen in Ihrem Besitz. Ich sollte Sie alle gleich hier an Ort und Stelle töten, weil Sie mir so viel Verdruss bereitet haben. Aber ich bin sehr müde, und deshalb müssen Sie mir die kleine Verzögerung nachsehen. Ich werde am Morgenzurückkehren, um Sie zu töten. Ah, da ist er ja – wie ich sehe, haben Sie ihn für mich sogar auf einen Karren gestellt. Wie freundlich von Ihnen.« Er verneigte sich höflich vor Mary, schob den Karren vor sich her und verschwand rasch in der Dunkelheit, wobei er nicht vergaß, ordentlich die Tür hinter sich zu schließen.
    John, Mary und ich saßen noch einige Augenblicke lang wie betäubt auf dem Boden.
    »Das also war der Tote, den Sie gesucht haben?«
    »Das war er«, bestätigte ich.
    »Harry ist der andere Erhabene«, bekräftigte John. »Das macht es äußerst schwierig, sein Erbe einzufordern.«
    »Und ob«, stimmte ich zu.
    Wir schwiegen weiter.
    »Was mir gerade noch einfällt …«, sagte Mary schließlich. »Liegt nicht Gwendolyn in dem Sarg?«
    »Oje.« Ich fiel vom Stuhl.
    »Ist das nicht wundervoll?«, rief John. »Wo ist mein Stift?«

Bath · Sehr früh am Morgen
    Ich starrte zur Decke der Leichenhalle hinauf, und meine Gedanken rasten wie wild.
    »Es ist wohl an der Zeit, eine Bestandsaufnahme zu machen«, stellte ich fest. »Wir müssen ganz genau klären, wo wir stehen. Punkt eins: Ein mächtiger Vampir will uns töten. Punkt zwei: Wir sollten alles andere vergessen und uns für den Rest unseres Lebens in Frankreich verstecken.«
    »Punkt drei«, fuhr John fort, »der mächtige Vampir hält Gwen gefangen, und wir müssen sie retten.«
    »Punkt vier«, konterte ich, »Gwen will uns ebenfalls töten, also fällt der dritte Punkt weg.«
    »Punkt fünf«, fügte John ungerührt hinzu, während er sich mit einem Finger ans Kinn klopfte, »Gwen will uns nur des Erbes wegen töten, und wegen des sechsten Punkts – da der fragliche mächtige Vampir der Besitzer des Gelds ist –, gelangen wir zum siebten Punkt: Es gibt kein Erbe, das beansprucht werden könnte.«
    »Sie vergessen etwas.« Mary beugte sich vor. »Punkt acht: Wenn der Besitzer des Gelds ein Vampir ist, dann verstößt es nicht gegen das Gesetz, ihn zu töten.

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