Sarg niemals nie
Hand.Gleich darauf hörte ich Mary draußen drängend flüstern.
»John?«, raunte sie.
»Ja?«, antwortete John.
»Die Tür«, zischte Mary.
»Oh, richtig«, lachte John. »Tut mir leid. Ich habe wohl nur den Himmel angestarrt und völlig vergessen, wo ich bin.« Es gab ein Kratzen und Scharren, dann stieg John zum Fenster herein und eilte an mir vorbei zur Tür. Ein Schleifgeräusch verriet mir, dass er etwas Großes, vielleicht eine hölzerne Kommode, von der Tür wegrückte und gleich darauf an den ursprünglichen Platz zurückschob. Gleich betraten er und Mary das Zimmer. Mary eilte sofort ans Fenster und schloss es.
»Klug gehandelt«, lobte John. Dann deutete er auf den Boden. »Offenbar sind wir heute nicht die Ersten, die hier einen Toten hereingeworfen haben. Kein Wunder, dass Percy sich so aufregt.«
»Was?« Ich ließ Percy los und sprang auf. Er wollte wieder loskreischen, beschränkte sich jedoch auf ein vorsichtiges Wimmern, als Mary die Keule zückte. Ich sah mich rasch in dem Zimmer um, und tatsächlich, dort lag noch ein zweiter lebloser Körper auf dem Boden.
»Hier stellt sich die Frage, wer sonst noch Tote durch Percys Fenster wirft.«
»Der wahrscheinlichste Kandidat ist wohl Percy selbst.« Ich wandte mich langsam zu dem jungen Mann um, der zitternd am Boden lag. »Die nächste Frage lautet: Warum bewahrt Percy in seinem Wohnzimmer einen Toten auf?«
»Es ist eine Frau«, erklärte John, der schon neben der Leiche kniete. »Aber sie ist wie ein Mann gekleidet. Sehr teuer, wie mir scheint.«
»Warum hat Percy eine tote Frau im Wohnzimmer, die wie ein Mann gekleidet ist?«, setzte ich noch einmal an.
»Nun ja, halb bekleidet«, berichtigte mich John. »Sie trägt weder Schuhe noch Socken.«
»Sie haben wirklich ungewöhnliche Freunde.« Mary musterte Percy mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Wenn Sie ihr einen Hut aufsetzen, sieht sie aus wie ein Mann«, erklärte Percy mit unsicherer Stimme. »Das hätte niemand bemerkt.«
»Darf ich fragen, was das zu bedeuten hat?«, erkundigte ich mich.
»Es ist … Mister Beard«, quetschte Percy hervor und lächelte voller Angst.
»Verstehe«, sagte John. »Ein raffinierter Plan. Wenn man die Bank überzeugen kann, dass Mister Beard eigentlich eine Frau ist, sind alle Dokumente hinfällig, die seinen Tod betreffen.«
»Was?«, fragte Mary.
»Nein, so ist das nicht gedacht«, widersprach ich. »Percy versucht das Gleiche wie wir – er ersetzt den fehlenden Körper durch einen anderen und gibt ihn als Harry aus. Wir haben aber wenigstens einen Mann beschafft.«
»Dies ist meine erste Leiche«, versicherte Percy uns aufgeregt. »Sie kennen sich damit aus, aber für einen Anfänger ist es wirklich schwierig.«
»Das Ergebnis ist gar nicht so übel«, lobte John. »Sie sieht Harry wirklich ähnlich.«
»War das auch Gwens Plan?«, wollte ich von Percy wissen. »Sie ist uns nach Bath gefolgt, um uns zu töten, und unterdessen haben Sie eine Ersatzleiche besorgt, um das Erbe zu kassieren.«
Percy schüttelte den Kopf. »Ich schwöre, dass Gwen dieses Mal nicht dahintersteckt.«
»Haben Sie überhaupt einen Sarg?«, fragte ich.
»Noch nicht.«
»Wie haben Sie sich denn die Leiche besorgt?«, fragte John. »Die meisten kommen doch mit Verpackung. Es sei denn, man … Sie wissen schon.«
»Das habe ich ganz gewiss nicht getan!«, rief Percy entrüstet. »Ich habe sie aus dem Fluss gefischt, aber ich weiß nicht, wie sie dort hineingeraten ist.«
»Wasserleichen sind … erlesene Fundstücke«, schwärmte Mary. »Sie sind natürlich nass und manchmal aufgedunsen, aber äußerlich meist unversehrt. Ich muss unbedingt selbst im Fluss nachsehen, ehe ich die Stadt verlasse.«
»Nicht nötig«, erklärte ich ihr. »Sie können die hier haben. Wir ziehen ihr einfach den Anzug aus und bekleiden Gustav damit. Oder … da sie eine Frau ist, sollten Sie das besser tun.«
Mary lächelte mit gespielter Dankbarkeit und schleppte die tote Frau ins Schlafzimmer. John zerrte Gustavs Leiche hinterher, kam zurück und schloss die Tür.
»Nun sagen Sie, Percy«, fuhr ich fort, »wie ist denn der gegenwärtige Stand von Mister Beards Vermögen?«
»Es liegt alles auf der Bank«, erklärte Percy. Er zog sich langsam auf einen Polstersessel hoch. »Sein gesamter Besitz ist liquidiert, und die Gesamtsumme beläuft sich auf neunzigtausendvierhundertdreiundachtzig Pfund und ein bisschen Kleingeld, an den genauen Betrag erinnere ich mich aber nicht. Wegen des …
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