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Sarrasine (German Edition)

Sarrasine (German Edition)

Titel: Sarrasine (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Versammlung, die andächtig an seinen Lippen hing; er wurde vollends verwirrt, mußte sich setzen und brach die Arie ab. Der Kardinal Cicognara, der die Richtung, die der Blick seines Günstlings genommen hatte, verfolgt hatte, bemerkte jetzt den Franzosen; er neigte sich zu einem Geistlichen aus seinem Gefolge und schien nach dem Namen des Bildhauers zu fragen. Als er die gewünschte Antwort erhalten hatte, sah er den Künstler sehr aufmerksam an und gab einem Abbé einen Auftrag, der dann eiligst verschwand. Inzwischen hatte sich Zambinella erholt und fing das Stück, das er so eigenwillig abgebrochen zu haben schien, noch einmal an; aber er sang schlecht und lehnte es trotz allen Bitten ab, etwas anderes zu singen. Das war das erste Mal, daß er diese launenhafte Tyrannei ausübte, die ihn später nicht weniger berühmt machte als sein Talent und sein ungeheures Vermögen, das er, wie es heißt, seiner Stimme und seiner Schönheit in gleicher Weise verdankte.
    ›Es ist eine Frau‹, sagte Sarrasine, der kaum wußte, wo er war, vor sich hin; ,da steckt irgendeine geheime Intrige dahinter. Der Kardinal Cicognara betrügt den Papst und ganz Rom!‹
    Unverzüglich verließ der Bildhauer den Salon, versammelte seine Freunde und legte sie im Hof des Palastes in den Hinterhalt. Als Zambinella sich vergewissert hatte, daß Sarrasine gegangen war, schien er wieder etwas Ruhe zu finden. Um Mitternacht verließ der Musico, nachdem er, wie jemand, der einen Feind sucht, in den Sälen umhergeirrt war, die Gesellschaft. In dem Augenblick, wo er die Schwelle des Palastes überschritt, wurde er von einer Schar Männer ergriffen, die ihn mit einem Taschentuch knebelten und in den von Sarrasine gemieteten Wagen hoben. Zambinella war vor Schrecken starr, hockte in einer Ecke der Kutsche und wagte nicht, sich zu rühren. Er sah die schreckliche Gestalt des Künstlers sich gegenüber, der tödliches Schweigen bewahrte. Die Fahrt war kurz. Zambinella wurde von Sarrasine herausgehoben und befand sich bald in einem düsteren und kahlen Atelier. Der Sänger, der halb tot war, saß auf einem Stuhl und wagte nicht, auf die Statue einer Frau zu sehen, in der er seine Züge erkannt hatte. Er brachte kein Wort heraus, aber seine Zähne klapperten; er fror vor Angst. Sarrasine ging mit großen Schritten auf und ab. Mit einem Male blieb er vor Zambinella stehen.
    ›Sprich die Wahrheit!‹ sagte er mit dumpfer, heiserer Stimme; ›du bist ein Weib? Der Kardinal Cigognara...‹ Zambinella fiel auf die Kniee und antwortete nicht; er ließ nur den Kopf tief auf die Brust sinken.
    ›Ah, du bist ein Weib!‹ rief der Künstler außer sich; ›denn selbst ein...‹
    Er sprach nicht weiter.
    ›Nein,‹ fing er dann wieder an, ›auch so einer würde sich nicht so tief erniedrigen.‹ ›Ach, töten Sie mich nicht!‹ rief Zambinella unter Tränen; ›ich habe nur meinen Kollegen zuliebe eingewilligt, Sie zu täuschen. Sie wollten etwas zu lachen haben.‹ ›Zu lachen!‹ schrie der Bildhauer mit furchtbarer Stimme. ›Lachen! lachen! Du hast es gewagt, mit der Leidenschaft eines Mannes zu spielen? Du?‹ ›O Gnade!‹ flehte Zambinella. ›Ich müßte dich umbringen!‹, rief Sarrasine und zog heftig seinen Degen heraus; ›aber‹, fuhr er dann mit kalter Geringschätzung fort, ›wenn ich mit dieser Klinge in deinem Wesen bohre, finde ich da eine Empfindung, die ich austilgen, eine Rache, die ich befriedigen könnte? Du bist nichts. Einen Mann oder ein Weib würde ich umbringen. Aber...‹ Sarrasine machte eine Gebärde des Abscheus, bei der er den Kopf zur Seite wandte. Er erblickte die Statue. ›Und das ist ein Trugbild!‹ rief er.
    Er wandte sich wieder Zambinella zu.
    ›Ein Frauenherz war für mich eine Zuflucht, eine Heimat. Hast du Schwestern, die dir ähnlich sind? Nein. Also stirb!... Aber nein, du sollst leben. Wenn man dich am Leben läßt, bewahrt man dich nicht für etwas Schlimmeres auf als den Tod ? Ich klage nicht um mein Blut und nicht um mein Dasein, nur um meine Zukunft und mein Herzensglück. Deine schwache Hand hat mein Glück zertrümmert. Was für eine Hoffnung könnte ich dir rauben für alle die, die du geknickt hast? Du hast mich bis zu dir erniedrigt. Lieben, geliebt werden! Das sind künftig leere Worte ohne Sinn für mich, wie sie es für dich sind. Immerzu werde ich an dieses Weib denken, das es nicht gibt, wenn ich ein wirkliches sehe.‹
    Er wies mit verzweifelter Gebärde auf die Statue. ›Immer werde ich eine

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