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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Königspalast oder dem Kloster zu holen. Wulfhere war noch nicht eingetroffen. Der Than übernahm die Aufsicht und stellte bald Ordnung her, und als Tostig mit seinen sechs Booten die Anlegestelle südlich des Klosters erreichte, schickte der Than seine Leute zum Palast und in die Kirche und sorgte dafür, daß Gold und Zierat in den Booten verstaut wurden. »Stromaufwärts«, befahl der Than, »so weit ihr könnt.« Er schickte seinen ältesten Sohn Aelfric als Begleitung mit. Langsam dirigierten Tostig und seine Helfer die sechs Boote in den Fluß hinaus und paddelten davon.
    Die Wagenkolonne wurde aufgestellt, und Aelfwald entschied, daß sein jüngster Sohn mit zwanzig bewaffneten Männern als Eskorte mit dem Konvoi reiten sollte. Er war froh, daß er alle noch rechtzeitig auf den Weg brachte.
    Als seine Tochter Aelfgifu sah, was vorging, schlich sie zu den Männern, die gerade ihre Waffen erhielten. Rasch fand sie, was sie brauchte, und verschwand in einem leeren Haus am Marktplatz. Sorgfältig schlang sie ihr langes Haar eng um den Kopf, zog sich bis aufs Hemd aus und legte die mitgebrachte Kleidung an. Bald darauf trat eine hohe schöne Gestalt in einem Kettenhemd ins Freie. Auf dem Kopf trug sie einen Sachsenhelm, gekrönt mit der traditionellen Figur eines sich duckenden Ebers, auf der Vorderseite glänzte ein silbernes Kreuz. Vom Gürtel hing ein kurzes einschneidiges Schwert. In der Hand trug sie einen Speer. In diesem großartigen Aufzug war sie jeder Zoll ein sächsischer Krieger, und keiner schenkte ihr sonderliche Beachtung.
    Nur Aelfstan erkannte sie, als sie sich am Ende der Eskorte einreihte, und er lächelte belustigt. Er wußte, daß Aelfgifu sich niemals von etwas ausschloß, das ihre Brüder taten, und so war diese neue Kapriole keine Überraschung. Trotz des Durcheinanders wurde die Stadt schließlich evakuiert; als sie sich durchs Tal bewegten, sah Aelfwald zu seiner Erleichterung Wulfhere mit seinen Männern auf dem Höhenrücken über ihnen entlangziehen und das Hochland an der Nordflanke im Auge behalten. Etwa eine Meile von Wilton entfernt geschah das erste Mißgeschick. Die Äbtissin bemerkte, daß Edith verschwunden war. Dann erfuhr sie, daß die Nonne kurz zuvor gesehen worden war, wie sie ans Ende des Konvois lief. Man suchte vergeblich nach ihr, und so berichtete die Äbtissin den Vorfall Aelfwald.
    Der Than wandte sich ärgerlich im Sattel um. Derlei Zeitvergeudung hätte er gern vermieden, doch da es sich um eine Nonne handelte, rief er, einer aus der Eskorte solle zurück in die Stadt reiten. Sofort befolgte ein Reiter den Befehl.
    Wilton lag verlassen da. Von den Wikingern war noch nichts zu sehen, als Aelfgifu die Hauptstraße entlangtrabte. Kurz vor dem Palast sah sie Edith, die mit wilder Entschlossenheit das schwere, in Leder gebundene Evangeliar an sich preßte. In der allgemeinen Verwirrung war es zurückgelassen worden, und sobald Edith das bemerkt hatte, war sie allein ins Kloster zurückgelaufen. Sie brach unter dem Gewicht fast zusammen. Mit einer raschen Bewegung griff Aelfgifu nach Edith, zog sie hoch, setzte sie vor sich aufs Pferd und brachte das Tier in eine raschere Gangart. Edith war so überrascht, daß sie das Buch fallen ließ, das dumpf auf der Straße aufschlug. Sie stieß einen hohen, spitzen Schrei aus. »Das Evangeliar!«
    Doch Aelfgifu schenkte ihr weiter keine Beachtung. »Halt! Halte dein Pferd an, du törichter Mensch!« Edith schlug um sich. Aber wie erschrak sie, als sie die vertraute Stimme der Tochter des Thans vernahm, die ihr lachend ins Ohr rief: »Kann nicht anhalten. Es ist nur ein Buch!«
    Das Evangeliar wurde nie wiedergefunden.
    Mittlerweile war festgestellt worden, daß Ports Frau und seine Kinder sich nicht im Treck befanden. Es war die Schuld des Boten. Bevor er Wilton verließ, traf er den Schafzüchter und rief ihm zu, daß er jetzt den Than warnen wolle. Port hatte natürlich angenommen, daß Aelfwald seine Frau und die Kinder mitbringen würde. Das wäre auch geschehen, wenn der Bote nicht behauptet hätte, Port sei bereits gewarnt worden. Erst jetzt, als Port den Wagenzug entlangging, um den Than zu begrüßen, stellte er fest, daß seine Familie fehlte. »Ich muß zurück!« schrie er.
    Aelfwald sah zum Himmel auf. Die Sonne stand schon weit nach Mittag. Wenn die Wikinger das Gehöft in Sarum auch noch nicht erreicht hatten, waren sie jedenfalls schon sehr nahe. Es gab nur die Hoffnung, daß sie nicht nach der einsamen Schaffarm

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