Sarum
Wir hören die beiden Anschuldigungen zugleich. Hast du Zeugen?« Grinsend deutete der Gerber auf Mary, und Godrics Gesicht wurde lang vor ungläubigem Staunen.
Der Gerber baute sich vor dem Vorsitzenden auf, und aller Augen waren auf das schielende Mädchen gerichtet.
Le Portier ging leise zu Godefroi hinüber. Unbeobachtet nahm er den kleinen Beutel mit den Münzen von seinem Gürtel und ließ ihn in die Hand des Ritters gleiten. Er schüttelte den Kopf und flüsterte: »Keine Hoffnung.«
Die Verhandlung des Falles Godric Body vor dem Forstgericht dauerte nicht lange.
Am ersten Tag im Dezember fiel ein leichter Regen, und Godric wurde auf den Marktplatz im Burggelände geführt, wo am Tag vorher ein Galgen errichtet worden war. Godefroi und Nicholas standen unter den Zuschauern, genau wie Mary. Doch als Godric auf der Plattform unter dem Galgen stand und das Seil über seinen Kopf gezogen wurde, ruhte sein trauriger Blick nicht auf ihr, sondern auf seinem Hund Harold, der nun ordentlich gekennzeichnet und auf besondere Bitte seines Onkels hergebracht worden war.
Die Menge verhielt sich ganz still – man hörte weder den Triumphschrei, der einem Leibeigenen, noch das Seufzen, das einem beliebten Mann in einem solchen Augenblick galt, als die Henker ihm einen Stoß versetzten, so daß er von der Plattform stürzte und im Leeren baumelte. Sein kleiner buckliger Körper zuckte hilflos, als die Schlinge ihre Arbeit tat. Und als sein verzerrtes Gesicht purpurrot wurde, hingen seine verzweifelten Augen, die aus den Höhlen traten, immer noch an dem Hund. Es war schnell überstanden.
Als Godric tot war, schlüpfte Harold plötzlich aus seinem Halsband und rannte über das Kopfsteinpflaster zu der Stelle, wo der Körper seines Herrn hing. Nicholas mußte ihn mit Gewalt von dort wegziehen.
Im Dezember 1139 ereignete sich einiges von Bedeutung im Kastell von Sarisberie.
Am 10. Dezember hörte Godefroi auf dem Markt furchtbare Schreie aus dem Haus des Bischofs, als tobte ein Verrückter. Kurz darauf lief ein Diener heraus, und der Ritter fragte, was da vor sich gehe. »Der Bischof, Sir! Das Viertagefieber ist schlimmer geworden. Ich glaube, er ist jetzt in der Krise. Vier Männer versuchen ihn festzuhalten, aber er ist im Delirium.«
»Was schreit er denn so?«
»Seine Kastelle und sein Schatz, Sir. Wahrscheinlich hat der Verlust ihm das Fieber beschert.«
Godefroi blickte traurig zum Haus hinauf. »Verschafft der Gedanke an Gott und seine Kirche seinem Geist keine Erleichterung?«
»Nein, Sir.«
Am 11. Dezember starb Bischof Roger.
Bald darauf folgte der Besuch des Königs. Für die Feiertage war Waffenruhe angeordnet, und in seiner üblichen sorglosen Art tat Stephan so, als handle es sich dabei um einen Dauerfrieden. In bester Stimmung ritt er im Kastell ein, besichtigte eingehend das schöne Haus und den massiven Turm des Bischofs. Die Wertsachen, die er dort fand, überraschten ihn. »Ich glaube, der Bischof war reicher als ich!« rief er und nahm alles an sich.
»Mir gefällt Euer Sarisberie«, äußerte er Godefroi gegenüber, als dieser ihm seine Reverenz erwies. »Bevor er rebellierte, tat der Bischof mir gute Dienste, und jetzt hat die Diözese mich reich gemacht.« Einige Tage vor Weihnachten hielt der König in der Burghalle eine öffentliche Sitzung im Beisein von Magnaten und Rittern, darunter Godefroi. Zu seinem Erstaunen näherte sich ein seltsamer Zug: voran William atte Brigge und John von Shockley, dahinter ihre Ehefrauen, die devot folgten, und zum Schluß eine schnatternde Zeugenschar. William, immer noch hochgestimmt durch seinen Sieg in der Angelegenheit Godric Body, sah unerbittlich und selbstsicher drein. Der Bauer dagegen war sehr blaß, und seine sanften blauen Augen blickten verschreckt. Nach ihrem Begehr gefragt, schrie William: »Der König versprach mir hier Gerechtigkeit, als er vor Devizes lagerte.« Als Stephan den Gerber anstarrte, erinnerte er sich dunkel und lächelte: »Laßt uns hören, was er will.«
William brachte seine Beschwerde vor, und der König hörte aufmerksam zu. Es war eine lange, verworrene Geschichte, und schließlich unterbrach er William.
»Du sagst, die Angelegenheit gehe auf die Zeit des Großvaters deiner Frau zurück?« William bestätigte dies. »Also fünfzig Jahre?« So war es. Stephan blickte in die Runde. Bei all seinen Schwächen war er doch ein schlauer Mann. Er hatte rasch die Charaktere Williams und des schwerfälligen blauäugigen Bauern,
Weitere Kostenlose Bücher