Sarum
der während der Klagelitanei des Gerbers schweigend und bedrückt dastand, gegeneinander abgewogen. »Wir entsprechen deinem Wunsch«, sagte er endlich. »Dein Fall wird geprüft.« Er hielt inne. »Aber nicht vor Gericht.« William machte ein langes Gesicht.
Der König blickte ihn gleichmütig an. »Das ist ein alter Streit, William atte Brigge. Er wird beigelegt durch die althergebrachten Mittel, die in der Regierungszeit unserer Vorfahren zur Anwendung kamen: Ich befehle ein Verfahren durch Kampf.«
Er lehnte sich zurück und wartete die Reaktion ab. Die Stirn des Gerbers umwölkte sich. Er dachte angestrengt nach.
Doch mit John von Shockley war eine noch viel erstaunlichere Wandlung vorgegangen. Es war, als wäre eine schwere Bürde von ihm abgefallen. Seit Jahren hatte er sich vor dem komplizierten Verfahren mit Eid und Beweisführung gefürchtet, vor dem ausgeklügelten Gerichtssystem, wo er sich, obwohl er keineswegs ein Dummkopf war, dem schlauen Gerber gegenüber hilflos wie in einer Falle vorkam. Doch nun hellte sich sein Gesicht auf; die blauen Augen verloren ihren verstörten Blick und waren plötzlich klar und mutig. Der Nachkomme der Familie von Aelfwald, dem Than, und Aelfgifu scheute sich nicht, für seinen Grund und Boden zu kämpfen, wenn Gott auf seiner Seite war. Und daran glaubte er fest.
Doch William war nicht umsonst von so weit her gekommen. »Ich habe das Recht, einen Kämpfer für mich zu wählen«, behauptete er. Stephan runzelte die Stirn. Der boshafte Kerl hatte leider recht. Und ganz sicher hatte er das Geld, einen Meuchelmörder zu dingen, der diesen ehrlichen Bauern töten würde. »Willst auch du einen wählen, der für dich kämpft?« fragte der König John erwartungsvoll. Doch dieser, wenn er sich überhaupt einer Gefahr bewußt war, gab sich anscheinend damit zufrieden, für sich selbst zu kämpfen. Es entstand eine peinliche Pause.
Da wußte Godefroi, was er zu tun hatte. Zum Erstaunen der beiden Parteien und zur sichtlichen Erleichterung des Königs trat er entschlossen nach vorn. »Ich kämpfe für John von Shockley«, verkündete er. So hatte er eine Möglichkeit gefunden, sich bei dem Bauern für seine Hilfsbereitschaft erkenntlich zu zeigen.
William schwieg. Einen Kämpfer, der dem hohen Können eines Ritters wie Godefroi auch nur eine Minute lang hätte standhalten können, konnte er sich nicht kaufen, selbst wenn einer den Mut gehabt hätte, gegen ihn anzutreten. Der rasche Schwertstreich des Normannen würde jeden in Stücke hauen. William blickte verwirrt umher. »Nun«, fragte der König mit einem Anflug von Ungeduld, »möchtest du fortfahren oder nicht?«
Der Gerber ließ den Kopf hängen. »Nein, mein König«, murmelte er endlich.
»Der Fall ist niedergeschlagen«, rief der König und zwinkerte Godefroi zu. Und zum größten Ärgernis von William brach die ganze Versammlung in Gelächter aus.
Er war geschlagen – seine ganze Arbeit umsonst. Und obendrein war er zum allgemeinen Gespött geworden. Beim Weggehen schwor er seiner Frau: »Eines Tages wird sich unsere Familie rächen.« An Weihnachten versammelte König Stephan im Kastell von Sarisberie nach altem Brauch der normannischen Könige die Ortsmagnaten um sich und trug, gemäß dem Zeremoniell, die Krone. Obwohl der König anwesend war, holte der Ritter von Avonsford seine Familie nicht aus London zurück. »Warten wir ab«, sagte er zu John von Shockley.
Weihnachten war vorüber, und der Waffenstillstand ging seinem Ende zu. Godefroi spürte mehr denn je eine Atmosphäre von Verlassenheit um das düstere Kastell hoch auf dem Kreidehügel.
Im Frühling des Jahres des Herrn 1140 entdeckte Richard de Godefroi, ein normannischer Ritter, der es nicht zu großen Reichtümern gebracht hatte und der Welt allmählich überdrüssig wurde, eine beruhigende Art, seine Seele zu retten.
Es begann am 5. Januar, als er in die Kathedrale auf dem Burghügel ging, um das Ave-Maria zu beten, und wie gewöhnlich am Grab des Bischofs Osmund niederkniete. Es war ein bitterkalter Tag, doch Godefroi empfand eine sonderbare Wärme – ein Gefühl, das er schon einige Male vorher gehabt hatte: Es ging von der steinernen Grabplatte aus. Tiefer Frieden überkam ihn. Länger als sonst verharrte er im Gebet, und wie immer schloß er mit der Bitte: »Zeige mir, Osmund, was ich in diesen gottlosen Zeiten zu tun habe.«
Als er aus der Kirche trat, entdeckte er Nicholas, der neben der Tür hockte und seinen Kopf über ein Stück
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