Sarum
der Landwirtschaft.
Sie veränderte alles – sie war der Beginn der modernen Welt. In der Gegend von Sarum etwa mußte eine einzige Familie von Jägern viele Meilen Land durchstreifen, um ihren Bedarf an Nahrung zu decken; doch um Land zu bebauen und Vieh zu züchten, genügten ein paar Morgen Erde, und Vorräte konnten angelegt werden. Damit begann der Wohlstand, wie man ihn seither kennt. Während bis zu diesem Zeitpunkt der Mensch nur eine Figur in der Landschaft gewesen war, begann er nun das Land zu beherrschen und es nach seinen Bedürfnissen zu formen. Etwa 4000 Jahre v. Chr. hatten diese epochemachenden Veränderungen bereits außerordentliche Resultate gezeitigt.
In den warmen fruchtbaren Ländern zwischen den Strömen Euphrat und Tigris baute ein erfinderisches fleißiges Volk, die Sumerer, die ersten Hügelstädte der Welt aus Lehm und Ziegel, und die Gipfel waren von Tempeln gekrönt. Andernorts im Mittleren Osten entwickelten die Menschen neue und exquisite Fertigkeiten: In Ägypten stellte man Leinen her; in Mesopotamien verarbeiteten geschickte Juweliere Kupfer aus den Bergen mit Glas zu schönen, ausgeklügelten Mustern, und diese dekorative Kunst nannte man Fayence. An den Küsten von Saudi-Arabien suchten Taucher an den Austernbänken nach Perlen für den Export, und in der Levante fuhren Händler in kleinen Schiffen, die mit quadratischen Ledersegeln aufgetakelt waren und Kupfer, Elfenbein und bunt bemalte Töpferware geladen hatten, zur See.
Weiter nördlich, in Europa, gab es noch keine Städte, doch in jenem riesigen Landgürtel zwischen Donau und Ostsee bebauten Bauern das Land, trieben Viehzucht und brannten die Stoppeln ab, um den Boden zu verbessern. Sie errichteten große Scheunen und Häuser aus Holz, bis zu dreißig Meter lang. Im Westen, in der Bretagne an der Nordküste Frankreichs, lernten die Bauern, Steingut mit umlaufenden Spiralen, Bögen und Kreismustern zu schmücken.
Die Jungsteinzeit, die Zeit der Bauern und Steinbaumeister, war auf ihrem Höhepunkt, und das Zeitalter der neuen Metallegierung, der Bronze, sollte bald beginnen, nicht jedoch in Britannien, das durch das Meer von diesen Entwicklungen abgeschlossen war. Hier war noch immer die Zeit des Jägers.
An einem Sommermorgen, etwa 4000 Jahre v. Chr. fuhren sechs kleine Boote in die seichte Bucht am Hügel ein und dann weiter auf dem trägen Fluß nach Sarum.
Die Boote bestanden aus bunt bemalten Häuten, die über ein hölzernes Rahmenwerk gespannt waren. Jedes war etwa viereinhalb Meter lang, ziemlich breit, mit geringem Tiefgang. Die Männer waren unter großem Einsatz von der bretonischen Küste über den Englischen Kanal gerudert. Die Boote hatten keine Segel und waren ursprünglich für die Flußfahrt angefertigt worden, doch glücklicherweise war das Wetter während der Überfahrt ungewöhnlich ruhig gewesen.
In den Booten saßen zwanzig Krieger mit Frauen und Kindern. Sie trugen einfache ärmellose Wämser aus Leder oder gewebter Wolle – so hatten sie die Arme für ihre harte Arbeit frei. In den Booten befanden sich außerdem vier Hunde, acht Lämmer mit goldbraunem Fell, zwölf Kälbchen, zehn Ferkel und eine Menge Vorräte, darunter das höchst wichtige Tongeschirr mit Sämereien. Im Heck des letzten Bootes saß ein stämmiger Mann, der sich offenbar nicht an der Arbeit beteiligte. Er war mittleren Alters und von durchschnittlicher Größe. Seine Gewichtigkeit rührte von seinem übermäßigen Umfang her. Sein runder Kopf war kahl, Körper und Schädel waren eingeölt. Es war der Medizinmann, und seine Gegenwart sicherte während des Unternehmens das Wohlwollen des höchsten aller Götter – des Sonnengottes.
Noch auffallender war der Anführer der Schar, ein bulliger Mann mit schwarzem Bart und einer Nase, die wie ein Vorgebirge aus seinem Gesicht ragte. Seine kleinen Augen blickten böse. Als die Boote rasch das seichte Wasser durchquerten, stand er am Bug des ersten und leitete die Operation. Zu seinen Füßen lag eine enorme schwarze Keule. Sein grimmiger Blick suchte die Ufer nach feindlichen Anzeichen ab, aber die Gegend wirkte verlassen.
Er täuschte sich: Am Nordrand des Hafens beobachtete hinter einer Schilfwand ein einzelner Jäger die sechs Boote aufmerksam, seit sie in der engen Einfahrt aufgetaucht waren. Er war klein und drahtig, und sein schmales Gesicht hatte etwas Wieselhaftes. Er hatte lange Greifzehen, ein Merkmal, das er mit mehreren Jägern aus der Gegend teilte. Sobald die sechs
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