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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Frauen und Kinder machten sich an die Arbeit; es war wichtige und geheiligte Arbeit, die keine kräftige Person, die den Sonnengott fürchtete, unterlassen durfte. Es dauerte mehrere Stunden, dann hatten sie nicht nur eine schöne Lichtung, sondern auch einen herrlichen Ausblick. Der Medizinmann befahl nun, ein großes Feuer in der Mitte aufzurichten.
    Unterdessen bereitete er sich auf die nun folgende wichtige Zeremonie vor, indem er sein Gesicht kreideweiß anmalte. Dann ritzte er sich in den Finger und zog mit seinem Blut Ringe um die Augen. Krona selbst brachte feierlich ein Lamm herbei, eines der acht, von denen die Zukunft der Herde abhing. Nun rief der Medizinmann mit hoher, weittönender Stimme: »O Sonnengott, sieh jetzt auf uns herab. Du, der du uns Saat und Ernte gibst in diesem neuen Land, du, Sonne, die die Jahreszeiten lenkt, du, Gott, der du unsere Schafe und Rinder fett machst und auf unser Getreide niederlächelst – unser Leben und unser Tal sind dein. Nimm unser Opfer an.«
    Rasch schnitt er dem Lamm die Kehle durch und legte es auf den Holzstoß. Dann entzündete er das Feuer. Als der heilige Scheiterhaufen brannte, ging der Medizinmann feierlich von einem zum anderen und schnitt jedem eine Haarlocke ab. Diese warf er in die Flammen und zeigte dadurch an, daß jeder Siedler gleichermaßen in das Opfer einbezogen war. Wie zur Antwort kam die Sonne hinter den Wolken hervor. So wurde die Siedlung gegründet.
    Die Veränderungen in den kommenden Monaten erstaunten die Jäger, die von den nahen Hügeln das Tal beobachteten. Sofort begannen die Siedler mit der Rodung der Abhänge durch Fällen der Bäume und durch Abbrennen. Die Frauen hackten das Erdreich und säten ihr kostbares Korn in den kargen Boden. Die Männer bauten mit dem Holz stabile Häuser und umgaben sie mit Zäunen aus geflochtenen Zweigen.
    Auf den höher gelegenen Abhängen hüteten die Kinder die wertvolle Schafherde und achteten darauf, daß das Vieh nicht das angebaute Korn zerstörte. Abends wurden die Tiere zu Kronas Gehöft hinuntergebracht, und da das Geheul der Wölfe aus den nahen Wäldern zu hören war, sorgte Krona dafür, daß die Herde sorgsam bewacht wurde und kein Tier verlorenging. Wenn auch die meisten dieser Tätigkeiten den Jägern unbegreiflich schienen, waren sie doch beeindruckt. Auf Kronas Anweisung hin machten seine Männer keinerlei Versuch, mit den Jägern zusammenzutreffen. Sie kümmerten sich um ihre Angelegenheiten und blieben ausschließlich im Tal.
    Die Siedler fühlten sich wohl in ihrer neuen Heimat, und Krona ganz besonders. Er freute sich an seiner jungen Frau mit ihrem stolzen Gang und den blitzenden Augen. Er lächelte, wenn er seine beiden kleinen Söhne hinter ihrer schmalen leichtfüßigen Gestalt herlaufen sah. In den ersten beiden Monaten jedoch gab es zwei Ereignisse, die die zukünftige Beziehung zwischen den beiden Gemeinden bestimmten. Bevor der erste Schnee fiel, verfolgte der langzehige Jäger Taku einen stattlichen Hirsch ins Tal hinunter.
    Das Tier entkam. Taku tötete dafür eines der wertvollen Kälber und zog es im Schutz der Bäume den Abhang hinauf. Das war sehr einfältig von ihm. Eine Frau aus dem Tal entdeckte ihn dabei, und bevor er die Anhöhe erreicht hatte, war er schon festgenommen. Drei der Siedler, wütend über diesen Frevel, schleppten den Jäger zu Kronas Hof. Unterwegs schlossen sich ihnen andere an, und schließlich versammelte sich eine große Siedlerschar mit ihren Familien vor dem Haus.
    Angesichts der zornigen Menge erwog Krona die Lage sorgfältig. Der Übergriff mußte bestraft werden: Das Töten des wertvollen Kalbes verdiente den Tod. Dagegen mußte Krona aber auch die Beziehung der Siedler und Jäger untereinander berücksichtigen. Er betrachtete Taku nachdenklich.
    »Du hast eines unserer Tiere getötet«, begann er. »Darauf steht die Todesstrafe. Statt dessen aber wirst du deinem Volk eine Botschaft zur Warnung überbringen. Wir sind in Frieden gekommen, und ihr dürft unsere Tiere nicht anrühren.«
    Er wandte sich an die Siedler und rief: »Seine Zehen sind zu lang!« Dann gab er dem Medizinmann ein Zeichen, der sogleich vortrat und mit einem scharfen Feuersteinmesser das letzte Glied von Takus großen Zehen abschnitt. Der Jäger heulte auf vor Schmerz und humpelte weg. Nie wieder rührte ein Jäger die Tiere im Tal an.
    Das zweite Ereignis geschah während des besonders kalten langen Winters, als der Fluß dick zugefroren war. Zu dieser Zeit hatte es

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