Sarum
sein sollten.
»Wenn die wahre Freiheit im Besitz von Land und Gütern liegt, warum sollten – wenn alle Menschen frei sind – nicht alle Güter allen gemeinsam gehören?« So redete Edmund auf seine Schwester und seinen zehnjährigen Bruder ein, als sie an jenem Tag an dem großen Tisch im Gutshaus saßen, wo die Digger-Gemeinde von St. George’s Hill zusammenlebte.
»Alles hier gehört uns gemeinsam«, erklärte er. »Wir arbeiten als Freunde miteinander.« Stolz führte er sie umher. Dies also war für Edmund die praktische Erkenntnis aus seiner langen Qual und seinen Selbstzweifeln.
Sie verbrachten einen angenehmen Abend miteinander. Edmund war offensichtlich froh, die beiden zu sehen, doch ebenso froh schien er zu sein, als sie am nächsten Morgen wieder abfuhren. Achtzehn Monate später starb Edmund an einer zehrenden Krankheit. Den Berichten zufolge, die Margaret erhielt, war er friedlich gestorben. Die Gemeinschaft der Diggers bestand nicht lange, doch war sie einer der konkreteren frühen Versuche von praktisch ausgeübtem Kommunismus in Europa.
Samuel, der zwischen Margaret und Obadiah lebte, kam es so vor, als gäbe es in seinem Leben zwei Welten. Da war das Avon-Tal, wo Margaret herrschte, und Salisbury, wo Obadiah hofhielt. Avonsford war Samuels Kindheit, Salisbury war die Welt draußen. Die eine, sehr geliebte, hielt ihn fest – das andere, noch unentdeckte Territorium zog ihn fort. Mit seinen zwölf Jahren war Samuel ein aufgeweckter Junge, der – mit dem hellen Haar – seiner Schwester noch ähnlicher sah als damals Nathaniel. Mit seinem wachen Verstand wußte er genau Bescheid über den Hof und die Rieselwiesen, und dank Jacob Godfreys Unterweisung kannte er sich auch in den Abrechnungen aus. Margaret hatte auf Betreiben Obadiahs für seinen Unterricht gesorgt. Sie stellte dafür einen jungen Geistlichen an, der dreimal wöchentlich auf den Shockley-Hof kam. Samuel machte große Fortschritte.
Vor allem aber machte Margaret ihn mit dem umliegenden Land vertraut. Es verging fast kein Tag, an dem sie nicht fünf bis zehn Meilen umherliefen. Er kannte das Avon-Tal ganz genau – bis hinauf nach Amesbury im Norden und weiter über Stonehenge hinaus. Wie anders aber, wie streng war Obadiahs Welt!
Wenn Samuel sich oft auch ein bißchen vor ihm fürchtete, war er sich von Anfang an des moralischen Formats und der Macht des Predigers bewußt. Obadiah kannte ja sogar Cromwell, und Cromwell war Samuels Idol. Cromwell konnte einfach alles. Er hatte nicht nur den niederträchtigen König besiegt, er hatte sich die Schotten und die Iren Untertan gemacht, und großzügig gewährte er den treuen Armeeangehörigen, die vom Parlament nie bezahlt wurden, Anteile an irischen Besitzungen.
Selbst das Parlament beugte sich Cromwell. Er war stark und gerecht; seine allmächtige Hand wurde von Gott geführt. Samuel erinnerte sich der Aufregung, als die Presbyterianer in Schottland ein Abkommen mit dem Sohn des Königs unterzeichneten, ihn als Karl II. proklamierten, und der junge Mann daraufhin in England einfiel. Cromwells loyale Truppen hatten ihn bei Worcester rasch niedergemacht; aber dann gab es jene Leute in Sarum, darunter die Anhänger des Edward Hyde und einen teuflischen anglikanischen Priester namens Henchman, die dem König zu einer dramatischen Flucht an die Südküste verhalfen. Man mußte auf der Hut sein, wenn die Verräter so nahe waren, ermahnte Obadiah ihn.
Als Samuel dreizehn Jahre alt war, ging er einmal am Tor von Wilton House vorüber. Bei seiner Rückkehr war Obadiah gerade zu Besuch bei Margaret. Samuel spürte, daß etwas in der Luft lag. Sie standen im Wohnzimmer vor dem Kamin. Margaret blickte ihren älteren Bruder herausfordernd an. Obadiah hatte ein Gebetbuch in der Hand.
Als Samuel das Zimmer betrat, hielt Obadiah das Buch in die Höhe. Mit bleicher, strenger Miene verkündete er: »Dieses Buch ist ein Werk des Teufels.«
Die Puritaner hatten sich von Erzbischof Cranmers wohllautendem Gebetbuch der anglikanischen Kirche losgesagt. Es war einfach zu papistisch. Sie ersetzten es durch ihre eigenen schlichten Anweisungen. Verschwunden waren all die vertrauten Zeremonien – nicht nur die Kommunion, sondern auch die altehrwürdigen Rituale, mit denen die heiligen Ereignisse im Leben der Menschen gefeiert wurden: Trauerfeier und Trauungszeremonie. Anstelle der Trauung gab es jetzt nur noch ein kurzes trübseliges Hersagen von Gelöbnissen vor einem Richter. Das war puritanische
Weitere Kostenlose Bücher