Sarum
begleitete ihn Margaret. Samuel wußte, daß die Leute auf dem Hof Anweisung hatten, jede Annäherung des Predigers unverzüglich zu melden. Es war wie ein Belagerungszustand.
Wenn der Junge fragte: »Ist Obadiah denn nicht mein Freund?«, schüttelte sie den Kopf und antwortete: »Er ist niemandes Freund. Das wirst du verstehen, wenn du älter bist.«
Samuel wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Er wollte Margaret nicht verlassen, aber diese seltsame Situation konnte nicht andauern. Das sollte sie auch nicht; denn Margaret hatte ohne Wissen von Samuel oder Obadiah andere Pläne gefaßt.
Auf jeden Fall ereigneten sich in den Tagen nach Michaeli Dinge, die Samuels Aufmerksamkeit mehr fesselten als der Streit mit Obadiah. Zunächst mußten die Rieselwiesen instand gesetzt werden. Im Spätsommer jenes Jahres kündigte Jacob Godfreys zweiter Sohn William an, daß an den Kanälen gründliche Reparaturarbeiten vorgenommen werden müßten. Aber wer sollte das übernehmen? Der Shockley-Hof hatte nicht genügend Arbeiter.
Kurz vor Michaeli waren Margaret und Samuel in der Stadt, als Margaret plötzlich vergnügt in die Hände klatschte: »Ich nehme einfach ein paar von den Holländern aus dem Kreuzgang«, sagte sie. »Holland besteht aus Gräben und Deichen – sie verstehen etwas von dieser Arbeit.« Es war eine ungewöhnliche, doch eigentlich vernünftige Lösung. In späteren Jahren mußte Samuel lächeln bei dem Gedanken daran, wie Margaret mit den Stadtbehörden verhandelt hatte, um die sechs Männer zu bekommen, und wie sie auf den Einwand, das sei unmöglich, weil die Holländer die Flucht ergreifen könnten, am nächsten Tag mit einem Schwert und einer Pistole im Gürtel zurückkam und klipp und klar erklärte: »Ihr sprecht mit einem Mitglied der Clubmen of Wiltshire!« So kamen die Holländer auf den Hof. Und zum Winter waren die überfluteten Wiesen der Shockleys ergiebiger denn je. Sir Henry Forest beobachtete dies voller Neid. Das zweite Ereignis war ganz unauffällig. Bevor Margaret und Samuel in den Kreuzgang traten, standen sie in der Nähe des großen nördlichen Querschiffs; da entdeckten sie etwas, das nur wenigen Menschen, gewiß nicht Obadiah, zu jener Zeit bekannt war: das Geheimnis der Kathedrale von Salisbury.
Der Mann tauchte gleichsam aus dem Nichts auf, kam wohl hinter einem Pfeiler des nördlichen Seitenchors hervor. Er hatte sie nicht gesehen und schlurfte fast unhörbar auf die Kapelle am östlichen Ende zu. Er war alt, vielleicht siebzig, mit einem großen, runden Kopf und von kleiner, gebeugter Statur, und seine grauen Augen starrten Margaret, die nun auf gleicher Höhe mit ihm war, abweisend an. Er hatte ein Säckchen mit Werkzeug bei sich. »Du arbeitest hier?« fragte sie. »Kann sein, Lady. Kann aber auch nicht sein.«
»Wie heißt du?«
»Zachary Mason.«
Sie bemerkte Kalk und Mörtel an seinen Händen: »Nun, du reparierst doch sicher irgend etwas hier. Weißt du, wer ich bin?«
»Ja, Lady. Ihr seid die Schwester von Obadiah Shockley.« Eine Spur Bitterkeit war in seiner Stimme.
»Richtig. Und mein Bruder ist ein Dummkopf«, sagte sie ungeduldig. »Ich dachte, die Kirche sei verlassen. Dem Herrn sei Dank, daß es nicht so ist.«
Der Mann blickte sie argwöhnisch an. »Bist du der einzige hier?«
»Vielleicht nicht.«
Da kam ihr ein Gedanke. »Wer bezahlt euch?«
»Wir werden bezahlt.«
Sie holte eine Münze aus ihrem Beutel. Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Wir werden bezahlt«, sagte er leise und schlurfte von dannen. Eine Woche darauf sagte sie zu Samuel: »Ich glaube, diese Leute werden von Hydes Anhängern bezahlt.«
Auf jeden Fall waren während der Dauer von Cromwells Commonwealth Arbeiter unbemerkt in der Kathedrale beschäftigt und hielten sie instand, und dies wurde durch die Großzügigkeit einer noblen, in Salisbury ansässigen Familie ermöglicht.
Ein drittes Ereignis spielte sich sozusagen am Rande ab: Eines Tages, als die Holländer unter Aufsicht von Margaret und Samuel auf den Rieselwiesen arbeiteten, hielt ein kleiner offener Wagen oberhalb von ihnen. Die Holländer schienen sehr aufgeregt, als der einzige Insasse ausstieg, und einer von ihnen bat Margaret, sie mit dem Besucher sprechen zu lassen.
»Wer ist das?« fragte sie mißtrauisch.
»Es ist Aaron, ein Kaufmann aus unserer Heimat«, sagten die Männer. »Ein Jude«, fügte einer hinzu.
Samuel war sprachlos: einer der biblischen Männer aus Israel! Er betrachtete die Gestalt fasziniert.
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