Sarum
besaß angenehme Manieren. Er komme von Obadiah, erklärte er. Er trat für Samuels Erziehung ein. Obadiah sei gekränkt, weil sie ihm seine natürliche Aufgabe, die Förderung der Erziehung des Kindes, verweigere.
Margaret ahnte nichts Böses, als sie ihn anhörte. Sie vermutete, daß er mit ernsten Absichten kam, nachdem er mit ihrem Bruder darüber gesprochen hatte. Aber was sollte sie ihm antworten? Jedenfalls erwies er sich als angenehmer Zuhörer, und so fühlte sie sich ermutigt, ihm ihren Standpunkt detailliert zu erläutern. Er interessierte sich auch für ihren Kampf in Männerrüstung auf seiten der Clubmen. Dann bat er um die Erlaubnis, sich auf dem Hof umsehen zu dürfen. Margaret zeigte ihm die Kühe und sprach sanft auf sie ein, als sie vor dem Fremden zurückwichen. Stolz führte sie ihn dann zu den Rieselwiesen. Bei der Rückkehr brachte sie ihn sogar zu den zahmen Vögeln, die sie beim Namen rief. Er war anscheinend recht angetan von dem, was er sah.
Soweit es Mr. Johnsons Auftrag betraf, reagierte sie zwar höflich, doch unnachgiebig. Bald würden ja die Dokumente von Forest unterzeichnet, und damit wäre diese Angelegenheit aus der Welt geschafft. Sie trennten sich freundlich, doch ohne Ergebnis. Margaret wunderte sich, als sie einige Minuten später Samuel, weiß wie die Wand, hereinkommen sah. Warum blickte er sie nur so seltsam an bei seiner Frage, wer der Besucher gewesen sei? »Mr. Johnson«, antwortete sie, »er kam von Obadiah.«
»Johnson? Hat er sich so genannt? Das war Matthew Hopkins«, platzte Samuel heraus, »der oberste Hexenriecher. Was wollte er hier?« Die Vögel, die sie beim Namen rief, die Kühe, mit denen sie sprach! Margaret fühlte, wie alle Farbe aus ihrem Gesicht wich. Obadiah! Mit seinem Einfluß als Prediger und mit Matthew Hopkins auf seiner Seite… Wie arglistig war doch dieser Mensch! Sie war in eine furchtbare Falle getappt. Am späten Nachmittag starb eines von Sir Henrys Schafen.
Das Abkommen zwischen Sir Henry Forest und Margaret Shockley wurde am nächsten Tag unterzeichnet und besiegelt. Man hatte besprochen, daß Samuel sein Leben im Herrenhaus von Avonsford im folgenden Monat beginnen sollte, wenn Lady Forest und ihre Kinder von einem Familienbesuch zurückkämen.
Danach ging Margaret nachdenklich nach Hause. Wenn Obadiah wußte, daß der Junge bei Forest in guter Obhut war, würde er sie trotzdem weiterhin belästigen? Oder vielleicht gerade deshalb, damit die Übereinkunft rückgängig gemacht würde? Waren Abmachungen von Menschen, die der Hexerei angeklagt wurden, noch gültig? Sie wußte es nicht.
Aber sie machte sich auch keine Illusionen. Welche Absichten auch dahinterstehen mochten – wenn Obadiah und Matthew Hopkins gegen sie vorgingen, hatte sie wenig Überlebenschancen. Sie rief Samuel zu sich und sagte: »Du wirst bald bei den Forests leben. Das ist ein großer Glücksfall für dich.« Sie erzählte ihm von dem guten Lehrer der Forests und von dem Abkommen über die Rieselwiesen. Am Abend starb das zweite Schaf der Forests. Vergeblich suchten der Hirte und der Verwalter im Leib des toten Tieres nach Anzeichen einer Seuche. Sie konnten nicht feststellen, woran die Schafe gestorben waren.
Die beiden Männer wählten die Stelle gut aus: bei einer kleinen Baumgruppe am Pfad zur Rieselwiese. Wie erwartet kam der Junge am frühen Nachmittag vorbei, und Obadiah rief ihn leise an: »Samuel, wir müssen mit dir sprechen.«
Sie blickten würdevoll drein. Hopkins war wie immer wohlgemut, Obadiah schien dagegen reichlich unruhig.
»Es ist schlimm, Samuel, daß man so etwas von unserer Schwester annehmen muß«, sagte er traurig. »Ich bitte Gott, es möge sich als unwahr herausstellen.«
»Aber du mußt die Augen offenhalten«, fügte der Hexenriecher hinzu. »Alles, was du siehst, kann von Bedeutung sein.« War es denn möglich, daß Margaret, seine Margaret, die Hexerei ausübte? Seit zwei Tagen hatte er sich Gedanken über Hopkins’ Person gemacht, doch bei allem Respekt vor den beiden würdigen Herren konnte er das einfach nicht glauben.
Auf die Frage, was Margaret am vergangenen Tag gemacht habe, erzählte er ihnen von der Abmachung mit Forest. Obadiah war höchst verblüfft von dieser Nachricht, aber er hatte sich rasch wieder in der Gewalt und nützte die Situation: »Dieses Stück Land hätte einmal dir gehören sollen, Samuel«, sagte er. »Sie hat dein väterliches Erbe an Forest verkauft. Habe ich nicht die gleiche Erziehung umsonst
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