Sarum
brauchte eben Abwechslung. Ein paarmal besuchte er Katesh, doch sie gab sich sehr zurückhaltend. »Was wir getan haben, muß jetzt vorbei sein«, sagte sie. »Ich habe es vergessen.«
Er sah, daß diese Lüge sie große Anstrengung kostete. Obwohl der Steinmetz sie vernachlässigte, war sie entschlossen, ihm in Zukunft treu zu bleiben.
Wenn Nooma zu Hause war, kümmerte er sich kaum um seine Frau, aber mit Freuden sah er Noo-ma-ti und der kleinen Pia beim Spielen zu. Oft nahm er beide auf den Arm und trug die jauchzenden Kinder stolz umher. Auch wenn sie nicht seine Tochter war, rührte es ihn, wie sie ihn mit ihren großen runden Augen anhimmelte.
Im Verlauf des Frühlings nahm Menonas Leibesumfang zu. Die Vorfreude auf die Geburt von Kronas Kind war zwar groß, doch hatten weder der Hohepriester noch der Herrscher die Anweisungen der Götter vergessen, daß sein Erstgeborenes den Göttern gehören sollte. »Den Zeichen muß man in allen Dingen gehorchen«, erinnerte Dluc seine Priester.
Doch Krona war deshalb nicht beunruhigt. »Ich fühle mich wieder wie ein junger Mann«, sagte er, »ich glaube, ich werde noch viele Söhne haben, bevor ich sterbe.«
Vor Ende des Winters ging er, zur Freude ganz Sarums, wieder öfter auf die Jagd in die Wälder.
Unter Noomas Anleitung wurde der letzte der gewaltigen Sarsens fertiggestellt. Bis Ende des Frühlings standen alle Steine an ihrem Platz, nur fünf Quersteine mußten noch behauen und darübergelegt werden. Es wurde angekündigt, daß sogleich nach Beendigung des Werkes ein großes Fest für alle Arbeiter stattfinden würde.
Die Einweihung des Tempels sollte eine eindrucksvolle Feier werden. Es kamen bereits Pilger von der ganzen Insel herbeigeströmt. Zur Einweihung des neuen Tempels verlangten die heiligen Überlieferungen der Priester nicht nur eine große Zahl an Tieropfern, sondern auch entsprechende Menschenopfer.
»Diese großen Opfer müssen dargebracht werden, um den Göttern zu zeigen, daß wir sie verehren. Neunzehn sollen geopfert werden: ein Mensch für jedes Jahr der heiligen Mondschwingung«, sagte Dluc zu den Priestern, die die Wahl sorgsam treffen sollten. Es war nur noch ein Monat bis zur Sommersonnenwende, und Nooma stand kurz vor der Verwirklichung all seiner Pläne. »In weniger als einem Monat wird alles fertig sein«, sagte er sich. Zwei einfache Aufgaben lagen noch vor ihm: An der Unterseite jedes Quersteines mußten zwei Löcher geschlagen werden, so daß die Zapfen der stehenden Steine eingepaßt werden konnten; dann wurden sie mit Seilen auf dem dafür konstruierten Gerüst befestigt. Den einzigen kritischen Punkt bildete das Verschieben des schweren Quersteins vom Gerüst auf die stehenden Steine und das Einrasten in die Zapfen. Nooma war besonders stolz auf dieses Verfahren und überwachte es immer persönlich.
Eines Abends im späten Frühling blieb er noch im Henge – wie häufig, wenn seine Männer gegangen waren –, denn er wollte den Priestern bei ihrer Nachtwache unter den Sternen nahe sein. Er blickte versunken in die Runde des stillen, nun fast vollendeten grauen Tempels und sprach laut ein Stoßgebet zum Sonnengott.
»Große Sonne, laß das Werk deines Dieners Nooma, der so schwer gearbeitet hat, sich vollenden.« Darauf kehrte er zufrieden nach Hause zurück. Am folgenden Morgen hatte Nooma sich mit Tark im Henge verabredet, da die Vorbereitungen für die bevorstehenden Feierlichkeiten besprochen werden sollten. Über tausend Menschen mußten auf einem freien Landstreifen am Flußufer, etwa eine Meile vom Henge entfernt, verköstigt werden, und da gab es viel zu organisieren. Als die beiden Männer am einen Ende des Henge ins Gespräch vertieft waren, riefen die Steinmetzen nach Nooma, da sie gerade einen Querstein vom Gerüst in seine endgültige Stellung bringen wollten. Die beiden setzten ihr Gespräch fort, während sie zu den Arbeitern gingen. Tark nahm seinen üblichen Platz unter dem Querstein ein, um die schwierige Aufgabe zu überwachen. Der riesige Stein wurde langsam an den Rand des Gerüstes bewegt und über den schmalen Zwischenraum hinweg auf die stehenden Steine gehoben. Tark war so auf diesen Vorgang konzentriert, daß er zuerst gar nicht auf die Worte Noomas achtete. Plötzlich jedoch blickte er in das sonst so ruhige Gesicht, das nun in Wut und Haß verzerrt war. Nooma zischte mit zusammengepreßten Zähnen: »Du liegst bei meiner Frau, Flußschiffer! Du hast ihr das Kind gemacht! Erwartest du, daß ich
Weitere Kostenlose Bücher