Sascha - Das Ende der Unschuld
angerührt.
„Ich weiß, du musst es mir nicht aufs Butterbrot schmieren. Ich kann nichts dafür, dass ich nichts mehr reißen kann. Meinst du, mir macht es Spaß, dass du mich versorgst? Ich kann nicht strichern, ich kann nicht arbeiten und von dem bisschen Sozialhilfe könnte ich mir nicht mal einen Monat lang etwas zu essen kaufen, geschweige denn eine Wohnung haben. Und draußen würde ich innerhalb kürzester Zeit ins Gras beißen. Aber wahrscheinlich wäre das sowieso besser.“
„So habe ich das doch nicht gemeint. Wir sind Freunde und du hast damals schließlich auch für mich gesorgt.“
„Mit dem Unterschied, dass es bei mir nie mehr besser wird, bis ich in die Kiste steige. Du denkst, du bist für mich verantwortlich und musst mich durchziehen. Meinst du, ich weiß nicht, dass du allein besser dran wärst? Und du weißt das auch. Es stinkt mich an, dass du dich mir verpflichtet fühlst, und ich habe nicht mal eine andere Möglichkeit, als das auch noch dankbar anzunehmen. Verdammt, ich wünschte, die ganze Scheiße wäre schon vorbei.“
Sascha nahm Marc in den Arm und merkte, dass dieser sich versteifte.
„Du sollst nicht so reden. Ich werde alles dafür tun, dass wir noch eine lange Zeit zusammen sein können. Wir haben doch oft genug darüber gesprochen. Du bist der einzige Mensch, der mir was bedeutet. Ich mach das nicht aus Pflichtgefühl, das weißt du ganz genau. Rede dir nicht ein, dass ich dich loswerden will. Das tut mir weh, verstehst du das denn nicht? Ohne dich wäre ich aufgeschmissen. Ich brauche dich genau wie du mich.“
Marc entspannte sich etwas.
„Ich will dich ja auch nicht nerven. Ich hasse es nur, von dir abhängig zu sein. Und ich hasse mich. Ich habe keine andere Wahl, als mich dir aufzudrängen, jeden Tag musst du mein Gesicht sehen. Du kannst etwas Besseres vom Leben erwarten, als Babysitter zu spielen für jemanden, der es überhaupt nicht wert ist. Ich bin hässlich und krank. Vielleicht habe ich es ja auch nicht anders verdient, aber wahrscheinlich wärst du ohne mich heute schon aus allem raus. Weg von den Freiern, weg von der ewigen Angst, dem Dreck und ...“
„Jetzt halt aber endlich die Schnauze.“
Sascha war aufgesprungen und sah auf Marc hinunter. Seine schwarzen Augen blitzten vor Wut.
„Hör auf, im Selbstmitleid zu ersaufen. Hör auf, dich selbst fertig zu machen. Und hör auf, mir ein schlechtes Gewissen einzureden. Wir sind zusammen und wir bleiben zusammen, weil wir zusammen gehören. Wir sind Freunde, Marc. Und dein blödes Gerede wird daran nichts ändern.“
Einen Moment lang schwiegen sie. Dann begann Marc:
„Stimmt auffallend, ich sollte es dir wirklich nicht noch schwerer machen. Versuch’ es mit dem Film. Aber du musst mir versprechen, dass du dich dort nicht kleinkriegen lässt. Du hast ja Recht, der Bahnhof ist auch nicht besser. Ich wünschte, ich könnte dir helfen. Ich wünschte mir wirklich nichts mehr als das, das musst du mir glauben.“
Marc ließ den Kopf sinken und starrte verbissen auf seine mageren Hände. Sascha setzte sich wieder hin und zog seinen Freund zu sich heran. Einen Moment schwiegen beide, dann flüsterte Sascha wie um sich selbst zu überzeugen:
„Wir müssen doch nur zusammenhalten. Dann wird alles gut, du wirst sehen.“
Und während es dies sagte spürte er ganz tief in seinem Inneren, dass nicht nur Marc immer auf der Verliererseite bleiben würde.
✵
Gleich am nächsten Morgen wurde der Strom abgestellt. Sascha versuchte Frederic de Jong zu erreichen, aber der Anschluss war über Stunden besetzt. So ging er zum Bahnhof.
Er fertigte sechs Freier ab und würde so den Strom am nächsten Tag bezahlen können. Aber deshalb hatten sie trotzdem nichts zu essen, und er ging noch mit einem weiteren Freier mit, obwohl eine innere Stimme ihn davor warnte. Sie gingen bis zum Rhein hinunter, ohne zu reden. Sie kamen gerade am Auto des Mannes an, als der ihm überfallartig die Hände auf den Rücken riss. Im nächsten Moment klickten Handschellen um Saschas Handgelenke.
„So, dann wollen wir mal sehen, wer du bist. Steig ein und rühr dich nicht, du Schwuchtel.“
Sascha hätte sich ohrfeigen können. Sonst roch er Zivilbeamte immer auf hundert Meter. Diesmal war er geradewegs in die Falle gegangen.
„Scheiße.“
Er ließ sich auf den Rücksitz fallen und sah zu, wie der Mann das Funktelefon zur Hand nahm. Er meldete sich und musste einen Augenblick warten. Diese Zeit nutzte Sascha:
„Hey, was bringt
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