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Sassinak

Sassinak

Titel: Sassinak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey , Elizabeth Moon
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grün.
    Die meisten Unterrichtsstunden fanden im ›Vorderhof‹ oder in der Doppelreihe einfacherer glattfassadiger Gebäude statt, die oberhalb davon lagen. Geschichte wurde aus der Flottenperspektive gelehrt, und dazu gehörten auch Kenntnisse über die Geschichte der ›wichtigen‹ Alten Erde bis hin zur Ära der Segelschiffe und Ruderboote. Sass hatte keine Ahnung, warum sie unbedingt wissen mußten, welche verschiedenen Dienstränge vor tausend Jahren gegolten hatten, aber sie prägte sich die Informationen pflichtbewußt ein, für den Fall, daß sie für irgendetwas außer den vierteljährlichen Prüfungen benötigt wurden. Sie fragte sich, warum man je eine solche Verwirrung in Kauf genommen hatte, wie sie durch den Umstand verursacht wurde, daß ›Kapitän‹ einmal sowohl ein Rang wie eine Position gewesen war, und freute sich, als es ihr endlich jemand logisch darlegte. Jeder, der ein Schiff befehligte, war ein Kapitän, und die Rangstruktur verwendete den Begriff überhaupt nicht. »Du hältst es für logisch«, erklärte der Ausbilder, »aber es kam fast zu einer Meuterei, wenn der erste Flottenoffizier die Rangbezeichnung ›Major‹ benutzen mußte und Leutnants oder Kommandeure um einen Rang befördert wurden.« Sass hatte mehr Spaß an der Analyse der verschiedenen Marinetaktiken, darunter einer strengen Untersuchung zur Auswirkung der Politik auf die Kriegsführung unter Verwendung eines alten Textes von jemandem namens Tuchman.
    Die Kadetten aßen gemeinsam in einer gewölbeartigen Messe, die ohne die zahllosen Reihen von Tischen, an denen jeweils acht steife Kadetten aßen, sogar sehr ansehnlich gewesen wäre. Sich umzusehen – zum Beispiel die Schnitzereien an der Decke zu betrachten -war eine weitere Möglichkeit, sich Punktabzüge einzuhandeln. Sassinak lernte mit den anderen, daß man schnell und ordentlich zu essen hatte, wobei man auf der Stuhlkante saß. Studenten in ihren beiden letzten Jahren überwachten jeden Tisch und verlangten von den Holzköpfen perfekte Etikette. Wenigstens war das Essen genießbar, dachte Sass.
    Die Akademie war nicht ganz so, wie sie es selbst mit ihren angeblichen Insiderinformationen erwartet hatte. Aus Abes Haltung zu den Flottenoffizieren hatte sie geschlossen, daß die Akademie ein quasi-mystischer Ort sei, der die Kadetten auf magische Weise mit Ehrgefühl, Gerechtigkeitssinn und taktischer Brillanz erfüllte. Er hatte ihr von seiner eigenen Grundausbildung erzählt, die er lakonisch als einen viermonatigen Marsch durch die Hölle beschrieb, aber das sei nicht dasselbe, hatte er oft betont, wie die Offiziersausbildung. Sass hatte mehr oder weniger durch Zufall das abgewetzte Exemplar eines Handbuchs zur Etikette gefunden, das sie auf komplizierte Formalitäten und die delikateren Aspekte der militärischen Höflichkeit vorbereitet hatte – nicht aber auf das Verhalten der Akademie gegenüber Kadetten im ersten Semester.
    »Wir verzichten auf Schikanen«, hatte der Kadettenkommandeur an diesem ersten Tag erklärt. »Aber wir legen Wert auf Disziplin.« Diese Unterscheidung, fand Sass schnell heraus, war nur eine Frage der Formulierung. Und sie erkannte bald, daß sie ein bevorzugtes Ziel für diese Disziplin oder Schikane war, wie immer man es nennen mochte: das Waisenmündel eines kleinen Offiziers im Ruhestand, eine ehemalige Sklavin und viel zu klug zu ihrem eigenen Besten.
    Sie wünschte, sie hätte sich mit Abe beraten können, aber im ersten halben Jahr waren den neuen Kadetten weder Besucher noch Besuche zu Hause gestattet. Sie mußte allein klarkommen. Seine Gebote standen wie Marksteine in ihrem Geist: beklage dich nie, streite nie, fange nie einen Kampf an, prahle nie. Konnte das ausreichen?
    Mit Hilfe der physischen und mentalen Disziplin, die er ihr beigebracht hatte, fand sie heraus, daß es tatsächlich ausreichte. Sie hüllte sich in diese Disziplin wie in einen festen Mantel. Kadettenoffiziere, die die Hälfte der Neulinge zu Wutausbrüchen oder ohnmächtigen Tränen treiben konnten, fanden ihren glatten, aber nicht bedrohlichen Gleichmut nach einigen Wochen langweilig. Diese Gelassenheit hatte nichts Trotziges, nichts Herausforderndes, dem begegnet werden mußte, sie war nur Ausdruck einer ruhigen, ernsthaften Entschlossenheit, alles Verlangte besser zu bewältigen als alle anderen. Wenn man ihr Strafarbeiten aufbrummte, leistete sie diese einfach hartnäckig und sorgfältig ab. Lautstarke Beleidigungen hörte sie sich ruhig an und war

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