Sassinak
medizinischen Arbeit noch bei schweren Be- und Entladungen mithilft.«
»Sie halten uns gern für dumm und träge.« Seglawin schloß sich der Klage an. Obwohl nicht ganz so groß wie Tadmur, war sie weit von den gängigen Schönheitsidealen entfernt, und wenn sie ihre breite Stirn in Falten legte, sah sie ziemlich bedrohlich aus. Sass fiel plötzlich auf, daß sie schönes Haar hatte, eine üppig gewellte braune Pracht, die wegen der harten Züge darunter niemandem auffiel. »Schrumpfköpfe nennen sie uns, und Muskelprotze. Ich weiß, daß unsere Köpfe im Verhältnis zu unseren Körpern klein aussehen, aber das ist eine Illusion. Weißt du noch, wie überrascht der Kommandeur war, als ich den Geschichtspreis für Anfänger gewonnen habe. ›Eine erstaunlich einfühlsame Interpretation für jemanden mit Ihrer Vergangenheit^ sagte er. Ich weiß, wie er das gemeint hat. Man glaubt, wir seien nur große dumme Rohlinge, und das stimmt nicht.«
Sass sah die beiden an und staunte. Natürlich waren die Schwerweltler im Sklavenzentrum als billige Schwerarbeiter verkauft worden, und keiner von ihnen hatte mit Sass am technischen Unterricht teilgenommen. Sie hatte gedacht, daß sie nicht dafür geeignet seien, wie es alle behaupteten. Aber in der Akademie waren gut fünf Prozent der Kadetten Schwerweltler, und sie machten ihre Sache gut. Die beiden Schwerweltler sahen einander und dann wieder Sass an. Seglawin zuckte die Achseln.
»Wenigstens hört sie zu und lacht nicht.«
»Ich habe nicht …«, begann Sass, aber Tad unterbrach sie.
»Doch, hast du, aber nur deshalb, weil du es so gelernt hast. Sass, du bist anständig, und du hast versucht, uns eine Freundin zu sein. Aber du bist ein Leichtgewicht und gemessen am Standard unserer Rasse ziemlich hübsch. Du kannst nicht wissen, wie es ist, wie ein … ein Ding, ein Tier behandelt zu werden, das für nichts anderes gut ist als für die Arbeit, die es leisten kann.«
Es klang vernünftig, aber Sass hörte das Winseln des Selbstmitleids, das in den Worten mitschwang, und wurde plötzlich wütend. »Oh, doch, das weiß ich«, hörte sie sich selbst sagen. Ihre Gesichter wurden starr, nahmen die blasierte Ausdruckslosigkeit an, die so viele mit der Arroganz der Schwerweltler in Verbindung brachten, aber sie machte keine Pause, um darüber nachzudenken. »Ich war eine Sklavin«, sagte sie so scharf, als beiße sie auf ein Stück Stahl. »Ich weiß ganz genau, was für ein Gefühl das ist, wie ein Ding behandelt zu werden. Ich wurde mehr als einmal verkauft und bei der Auktion nach der Arbeit bewertet, die ich leisten konnte.«
Seglawin reagierte als erste, und ihre Ausdruckslosigkeit wich einer verlegenen Errötung. »Sass! Ich wußte nicht …«
»Du hast es nicht gewußt, weil du nicht darüber reden wolltest.« Noch immer kochte soviel Zorn in ihren Adern, daß sie sich vergaß.
»Es tut mir leid«, sagte Tad, und dabei klang seine Stimme so weich, wie Sass es noch nie gehört hatte. »Aber vielleicht verstehst du uns.«
»Ihr wart keine Sklaven«, sagte Sass. »Ihr versteht mich nicht. Sie haben meine Familie umgebracht, meine Eltern, meine kleine Schwester. Meine Freunde und ihre Eltern. Und ich werde sie erwischen …« Ihre Stimme erstarb, und sie schluckte und kämpfte gegen Tränen an. Sie warteten wortlos und reglos ab, erschienen aber nicht mehr so träge. »Ich werde sie erwischen«, fuhr Sass schließlich fort. »Ich werde diese Piraterie, diese Sklaverei mit allen Mitteln beenden. Ob’s große oder kleine Fische sind oder wer auch sonst. Es gibt nichts Schlimmeres. Nichts.« Sie sah ihnen nacheinander in die Augen. »Und ich werde nicht mehr darüber reden. Es tut mir leid.«
Zu ihrer Überraschung standen sie beide auf, verbeugten sich knapp und vollführten eine seltsame Geste mit den Händen.
»Nein, es ist unsere Schuld.« Seglawin hatte jetzt einen rauhen Unterton, und ihr Akzent machte sich stärker bemerkbar. »Wir haben es nicht gewußt, und wir stimmen dir zu. Es gibt nichts Schlimmeres. Unser Volk hat gelitten, aber nicht so. Wir befürchten, daß es ihm einmal ähnlich ergehen könnte, und das ist der Grund für unseren Zorn. Verstehst du, du bist anständig, was immer auch geschieht.« Sie lächelte, als sie Sass beide Hände hinhielt, und das Lächeln verwandelte ihre Züge in das Gesicht eines Menschen, den Sass sich zum Freund wünschte.
Andere, etwas entspanntere gemeinsame Stunden folgten. Sass erfuhr viel über den Glauben der
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