Sassinak
verliehen. Sie konnte Kadettenkommandeurin werden, und beides zusammen erreichten nur die wenigsten. Sie sprühte geradezu vor Eifer, spürte die Anspannung bis in die Fingerspitzen, und daran gemessen, wie die anderen sie behandelten, sah sie genau so aus. Als sie für die letzte Prüfung zurechtgemacht wurde, starrte sie in den Spiegel des Schneiders und wurde unsicher. War sie wirklich so perfekt, diese Vision aus Weiß und Gold? Keine Falte, keinen Runzel, eine Gestalt, die – wie sie jetzt zugeben mußte -fast etwas Furchterregendes hatte, vor allem nach all dem körperlichen Training. Die Uniform saß gut und verlieh ihr eine überraschende Würde. Nirgendwo im Spiegel sah sie eine Spur der sorglosen Kolonistentochter oder der zerlumpten Sklavin, nicht einmal der zerzausten Rekrutin. Sie sah so aus, wie sie immer hatte aussehen wollen. Die tückischen braunen Augen im Spiegel verengten sich zu Schlitzen … dabei hatte sie nie blasiert wirken wollen. Sie haßte blasierte Menschen. Ihr Lachen kämpfte gegen ihre jugendliche Würde an, als sie für einen Augenblick vollkommen still zu halten versuchte, während der Schneider die letzten Stiche ansetzte. Durfte sie in dieser Uniform überhaupt atmen? Es ging wohl nicht anders.
Abe mußte ungeheuer stolz sein, dachte sie, als sie die Formation das letzte Mal auf den Ehrenplatz führte. Er war dabei, aber sie wagte es nicht, sich nach ihm umzusehen. Er sah, was er geschaffen, was er gerettet hatte … und ihr wurde finster zumute, wenn sie an die letzten schlechten Nachrichten dachte, die von der Plünderung einer weiten Kolonie berichteten. Jedesmal, wenn solche Nachrichten eintrafen, dachte sie an Mädchen wie sie selbst, an Kinder wie Lunzie und Janek, an Menschen, die ermordet und versklavt wurden. Aber die lautstarken Befehle holten sie in die Gegenwart zurück. Ihre eigene Stimme brüllte schroff und unpersönlich die Antwort.
Die Zeremonie selbst, die ein Dutzend Militärakademien in der menschlichen Tradition beerbte und sowohl ihnen wie den nichtmenschlichen Überlieferungen Elemente entlehnte, dauerte viel zu lang. Der Planetengouverneur begrüßte jeden einzelnen, der leitende FES-Beamte schloß sich an. Gesandte aller Welten und Rassen, die Kadetten in die Akademie geschickt hatten, hielten nacheinander ihre Reden. Jedesmal mußte die Kapelle die entsprechende Hymne spielen und die Ehrenwache die dazugehörige Flagge mit gebotener Achtung auf den Mast neben dem FES-Banner hissen. Sassinak rührte sich nicht, sah aber auch, ohne einen Muskel zu spannen, daß die Zivilisten und Gäste dasselbe taten und zwar mehr als einmal. Ein Kind weinte kurz und wurde beruhigt. Plötzlich funkelte auf den Ehrenabzeichen einer der Ehrenwachen der Marines das Sonnenlicht; der Mann hatte, angewidert über die Äußerungen eines Politikers, tief durchgeatmet. Sass sah, wie eine Wolke den Hof beschattetete und über die Geschützhalle wanderte. Es folgten die Auszeichnungen: ein Preis für hervorragende Lehrtätigkeit, für herausragende Forschungen in der Flottengeschichte, für (wie sie fand) außergewöhnliches Geschwätz. Akademische Abteilungen vergaben ihre eigenen Preise, athletische Abteilungen ebenso.
Dann wurden nacheinander die Diplome verliehen und zuletzt erfolgte die Aufnahme in die Flotte, bei der alle gemeinsam ihren Eid sprachen. Und dann wurde gejubelt, Hüte flogen in die Luft, und die Zuschauermenge tobte.
»Aha, du wirst also auf einen Kreuzer versetzt, ja?« Abe hielt eine Karte hoch, und ein Kellner eilte herbei, um sie zu bedienen.
»Das stand da.« Sass wünschte, sie könne sich dreiteilen: ein Ich würde hier bei Abe bleiben, eins draußen mit ihren Freunden feiern, eins schon an Bord des Kreuzers herumschnüffeln, um sich über alles kundig zu machen. Jeder wollte auf einem Kreuzer anfangen, nicht auf einem mickrigen kleinen Begleitschiff oder auf einem schwerfälligen Nachschubfrachter. Natürlich mußte man auf jedem Schiffstyp mindestens einmal dienen, aber wenn man auf einem Kreuzer anfing, bedeutete das, in welch untergeordneter Position auch immer, der echten Flotte zu dienen. Die Kreuzer waren es, auf denen es wirklich zur Sache ging.
Sie aßen in einem luxuriösen Restaurant zu Abend, und Abe hatte schon darauf bestanden, daß sie nur das Beste vom Besten bestellte. Sass hatte nicht die geringste Vorstellung, woraus man die bunten Schnörkel auf ihrem Teller zubereitet hatte, aber das Menü war ebenso köstlich wie kostspielig. Die
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