Sassinak
bist. Natürlich hast du keine normale Erziehung genossen – es gibt so viele Dinge, mit denen du noch keine Erfahrungen gemacht hast …«
Wut packte sie, machte ihr Schwierigkeiten, zusammenhängend zu antworten, und sein Lächeln weitete sich zum Grinsen eines Raubtiers. »Du bist einfach bezaubernd, wenn du so böse wirst, Kadett Sassinak, aber ich bin mir sicher, du weißt das. Du reizt mich, wirklich … und weißt du, was mit Mädchen passiert, die mich reizen? Ich wette, du bist gut im Bett …« Plötzlich lagen seine Hände nicht mehr entspannt auf den Knien; er hatte sie bewegt, während er redete, und sein teures Parfüm (das widerspricht bestimmt den Vorschriften! ging es Sass, die sich auf Banalitäten konzentrierte, durch den Kopf) drang ihr direkt in die Nase. »Wehr dich nicht gegen mich, kleine Sklavin«, sagte er ihr ins Ohr. »Du würdest nicht gewinnen und dir wünschen, du hättest nie … Au!«
Trotz der Ärgers, der ihr bevorstand und sie bis vor den Kommandeur der Akademie führen würde (und vielleicht noch weiter, wenn sie den Einfluß der Familie Paraden bedachte), hatte Sass seit Jahren keinen glücklicheren Moment erlebt als an jenen, als sie Randolph Neil Paraden mit drei schnellen Schlägen außer Gefecht setzte und vor Schmerz stöhnend aufs Deck sacken ließ. Das Knirschen von Knochen, das sie durch ihren Arm spürte, hatte etwas so immens Befriedigendes, daß es sie fast erschreckte, und sie dachte keinen Augenblick lang daran, Abe dieses Gefühl zu beichten, wenn sie nicht einen Grund finden sollte, es zu bereuen. Auch dem Akademiepersonal gestand sie diesen Aspekt nicht, obwohl sie aus Paradens Büro direkt ins Büro des Kommandeurs ging, um sich selbst anzuzeigen.
Paradens Versuch, sich herauszureden und die Schuld an den Diebstählen den Webern zuzuschieben, hatte keinen Erfolg. Sass fragte sich, ob ihm das nicht doch gelungen wäre, hätte er mehr Zeit gehabt und sie nicht so verhement gegen ihn ausgesagt. Als das erste Opfer herausfand, daß Paraden etwas mit den Diebstählen zu tun hatte, wurde ihr klar, daß ihr ›verlorenes‹ Abzeichen tatsächlich gestohlen worden war, und ihre Aussage zog einen Schlußstrich unter den Fall. Paraden blieb keine Gelegenheit, Sass danach persönlich zu bedrohen, aber sie hatte keinen Zweifel, daß sie sich für alle Zeiten einen unerbittlichen Feind gemacht hatte. Zumindest würde er nicht der Flotte angehören. Paradens Freunde, die nach seiner Entlassung von den Autoritäten genau beobachtet wurden, gingen Sass strikt aus dem Weg. Selbst wenn einzelne ihr freundlich gesonnen waren, wollten sie keinen weiteren Ärger riskieren.
Sass brachten die Vorfälle ein diskretes Lob ein. »Sie werden Ihren Kameraden nichts davon erzählen«, sagte der Kommandeur streng. »Aber Sie haben eine gute Menschenkenntnis bewiesen. Schade, daß Sie auf körperliche Gewalt zurückgegriffen haben – ich bestreite nicht, daß es gerechtfertigt war, aber es ist immer besser, vorher nachzudenken und wenn möglich jede Situation zu vermeiden, in der man jemanden schlagen muß. Aber davon abgesehen, haben Sie genau das Richtige zur richtigen Zeit getan, und das freut mich. Die anderen werden eine Zeitlang vor Ihnen auf der Hut sein, und ich hätte nichts dagegen, wenn Sie das zu Ihrem Vorteil nutzen könnten … haben wir uns verstanden?«
»Ja, Sir.« Sie hatte es tatsächlich verstanden. Es war knapp gewesen, und die Sache hätte übel ausgehen können. Was sie wirklich brauchte, war eine Möglichkeit, wieder an die Arbeit zu gehen und erfolgreich so weiterzumachen, wie Abe es von ihr erwartete: ehrlich, aus eigener Kraft, ohne Bevorteilung.
»Es könnte der Eindruck entstehen, daß wir Sie in den nächsten Wochen besonders im Auge behalten; machen Sie sich keine Gedanken darum.«
»Ja, Sir.«
Niemand brauchte sie im Auge zu behalten; sie verhielt sich entsprechend zurückhaltend und war bemüht, zur Normalität zurückzukehren, sofern in der Akademie überhaupt von einem normalen Leben die Rede sein konnte. Ihre Ausbilder waren nicht überrascht, und erst Jahre später erfuhr sie von den bewundernden Kommentaren in ihren Dateien.
viertes kapitel
Die Abschlußprüfung stand bevor. Sassinak, die in allen Examensfächern hohe Punktzahlen erreichte, durchlebte die Prüfungswoche in einer Art von Euphorie, von der sie früher nur geträumt hatte. Sie konnte mit Auszeichnung abschließen, und ihr wurden das goldene Band und die Schmuckquasten
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