Sassinak
der gerade seine Ausbildung hinter sich hatte und in einem Lagerspind verzweifelt vor sich hin schluchzte. Aber so ging es nun einmal auf einer Patrouille zu – Tag für Tag nichts anderes als ein paar Brocken Materie, die in ihrem zugewiesenen Raumsektor kartographiert waren. Ganz anders als auf einem Vergnügungsschiff, das auf der Suche nach Abenteuern unterwegs war.
Sie döste gerade, früh zur dritten Wache, in ihrer Kabine vor sich hin, als ein Signal von der Brücke tönte.
»Captain – wir sind hier auf ein Schiff gestoßen. Ein Handelsschiff, vielleicht CR-Klasse für Schwertransporte, noch keine Einzelheiten. Sollen wir den Scanner aktivieren?«
»Moment – ich komme sofort.« Sie stieß Huron, der gerade eingeschlafen war, mit dem Ellbogen an, bis er grunzte und ein Auge aufschlug, dann schlüpfte sie in ihre Uniform. Als er nochmals grunzte und sie fragte, was los sei, sagte sie: »Wir haben ein Schiff entdeckt.« Daraufhin öffnete er beide Augen und setzte sich auf. Sie lachte und ging hinaus; als sie die Brücke erreichte, hatte er sie, vollständig angezogen, fast eingeholt.
»Donnerwetter!« Huron, der sich über den Scannermonitor beugte, war so aus dem Häuschen wie der Techniker, der an den Bedienungselementen hantierte. »Schaut euch das an!« Seine Finger flogen über die Tastatur, und die Schiffsdaten erschienen auf dem dazugehörigen Bildschirm. »Hu Veron Frachtschiffe, zu vierzig Prozent im Besitz der Vereinten Geochemie, die vollständig der Familie Paraden gehört. So, so … vorheriger Besitzer Jakob Iris, der kriminell nicht auffällig geworden ist, aber gleich danach bankrott gemacht hat … hmmm … bei einer Pferdewette. – Was ist das denn?«
»Eine Wette bei einem Pferderennen«, erklärte Sassinak, die ebenso aufmerksam auf den Schirm blickte. »Pferde sind vierbeinige Säugetiere, groß genug, um einen Menschen zu tragen. Sie stammen von der Alten Erde und wurden in vier neue Systeme importiert, sind aber weitgehend ausgestorben.«
»Bei Kipling, Captain, woher wissen Sie das bloß?«
»Ich hab’s tatsächlich von Kipling, Huron. In unseren Schulen stand auf der obligatorischen Lektüreliste eine Geschichte von Kipling, die sich um ein Pferd drehte. Und sie war illustriert. Außerdem unterhielt die Akademie ein Gespann für Beerdigungen, und ich habe einmal die Aufzeichnung eines Pferderennens gesehen. Ich bin sogar selbst einmal auf einem Pferd geritten.« Sie verzog den Mund, als sie an Miras Heimatwelt und diesen unglücksseligen Reitausflug dachte.
»Das wundert mich nicht«, sagte Huron etwas vage. Seine Aufmerksamkeit hatte sich schon wieder dem Bildschirm zugewandt. »Schauen Sie nur – Iris hat dabei gegen Luisa Paraden Scofeld gewettet. Ist sie das nicht gewesen, die erst mit einem Null-G-Hockeystar verheiratet war und danach mit einem Gesandten von Ryx?«
»Ja, und während er sich dort aufhielt, ist sie mit dem Landschaftsarchitekten durchgebrannt. Aber entscheidend ist, daß …«
»Entscheidend ist, daß die Familie Paraden dieses Schiff zweimal in die Hände bekommen hat!«
»Soweit wir wissen.« Sassinak richtete sich auf und betrachtete nachdenklich Hurons Hinterkopf. »Ich würde sagen, wir setzen diesem Schiff nach, Leutnant Commander Huron. Das sind nach meinem Geschmack ein paar Zufälle zuviel.«
Noch als sie die nötigen Befehle erteilte, wurde Sassinak sich bewußt, daß sie im Begriff war, sich einen alten Traum zu erfüllen – ein eigenes Schiff zu befehligen, auf der Brücke zu stehen und sich möglichen Piraten gegenüberzusehen. Sie sah sich mit einiger Befriedigung in dem großen Kontrollraum um, der genausogut zu einer Reaktorstation oder einer Fertigungsanlage gepaßt hätte. Das physische Erbe eines Jahrtausends Flottengeschichte befand sich unter ihren Füßen, ein Podium, das ihr einen ungehinderten Blick auf jeden und alles in dem Raum gestattete. Sie konnte im Kommandostuhl sitzen, ihre Bildschirme und Computerterminals in Reichweite, oder stehen und die hufeisenartige Anordnung von Arbeitsplätzen überschauen, die sich jeweils aus einem Trio von Bildschirmen und einer Batterie von Schaltern und Knöpfen zusammensetzten, bedient von einem ruhigen und kompetenten Fachmann. Schräg unter der Decke waren die großen Monitore angebracht, und direkt darunter am Rande des Podiums das Überbleibsel einer inzwischen überholten Technik, welche die meisten Kapitäne aber immer noch einsetzten, um Besucher zu beeindrucken: der
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