Satanica
Satanica. Was ist mir ihr?«
Als ich den Namen Satanica erwähnt hatte, war der Mann bleich geworden. Er schien einen Höllenrespekt vor ihr zu haben. »Sie ist ein Untier«, flüsterte er mit gesenktem Kopf. »So gut kenne ich sie auch nicht, aber ich habe sie schon einige Male erlebt, als ich auf dem Friedhof war, um mich mit Stoff einzudecken. Sie hat mir zwar nichts getan, mich auch nicht angegriffen, aber ich habe trotzdem Angst vor ihr.«
»Haben Sie mit ihr gesprochen?«
»Hin und wieder.«
»Was konnten Sie erfahren?«
»Nicht viel. Sie wollte einen besonderen Weg einschlagen. Nicht so leben wie die anderen Menschen. Sie glaubte an die Götter oder Göttinnen, wie auch immer, und sie hat mir mal gesagt, daß sie sich als andere Person fühlte – eigentlich.«
Ich nickte vor mich hin. »Sie sprechen von einem Zeichen, das sie auf die Grabplatte gemalt hat.«
»Ja, ein Kreis mit diagonalen Strichen. Für mich sah es aus wie ein Wagenrad.«
»Wissen Sie etwas über seine Bedeutung?«
»Nein – Sie denn?«
»Auch nicht«, gab ich zu. »Und gefragt haben Sie Satanica danach nie?«
»Nein.«
»Wie heißt sie richtig?«
»Debora Brixton.« Er mußte schlucken, bevor er weitersprach. »Jetzt ist sie eine verdammte Brudermörderin. Sie kennt keine Gnade. Ich habe ihn zu ihr gebracht. Er wollte ja den Deal machen. Scheiße, jetzt ist er tot.« Er wischte über sein feuchtes Gesicht. »Ich trage indirekt die Schuld daran. Den Mord selbst habe ich nicht gesehen, aber es gibt keinen anderen Täter, der infrage gekommen wäre. Scheußlich.«
»So denke ich auch.«
Koko Craine hob den Kopf so an, daß er mir ins Gesicht blicken konnte.
»Was wollen Sie jetzt tun?«
»Hinfahren und nachschauen.«
»Ach – tatsächlich?«
»Haben Sie etwas anderes erwartet?«
»Tja«, murmelte er, »ich weiß nicht.« Er bewegte sich unruhig auf seinem Stuhl. »Ich bin mir wirklich nicht sicher, wenn ich ehrlich sein soll. Aber wenn Sie das sagen…«
»Sollte ich Ihnen nicht glauben?«
»Keine Ahnung. Eines will ich Ihnen aber sagen. Ich habe mir das nicht ausgedacht. Wenn ich nie einen echten und ehrlichen Schwur geleistet habe, hier würde ich es tun.«
»Davon, daß ich Ihnen nicht glaube, habe ich kein Wort gesagt. Ich wollte mir nur ein Bild von Ihnen als Zeugen machen. Was Sie sonst noch getan haben, damit müssen Sie selbst fertig werden. Alles andere interessiert mich nicht.«
»Kann ich mir denken.«
»So, und jetzt hätte ich noch gern gewußt, wie ich diesen alten Friedhof erreichen kann.«
»Okay, ich gebe Ihnen die Beschreibung.«
Ich machte mir Notizen und fragte Koko noch einmal, ob ihm noch etwas eingefallen war.
»Nein, nichts. Gehen Sie hin. Schauen Sie sich das Grab an, und versuchen Sie, Satanica zu stellen. Über ihren Bruder können Sie nicht mehr an sie herankommen.«
»Was ist mit den Eltern?«
»Keine Ahnung.« Er verzog freudlos sein Gesicht. »Ich war ja kein Freund von ihm. Deshalb habe ich auch kaum etwas über ihn gewußt. Da müssen Sie schon andere fragen.«
»Das werde ich auch machen.« Für mich war das Gespräch beendet. Es war aufschlußreicher gewesen, als ich gedacht hatte. Auf dem Weg zur Tür schaute mir der Dealer sehnsuchtsvoll nach. Die Freiheit würde er sicherlich sehr vermissen.
Kollege Tinney empfing mich mit einem Grinsen auf dem fragenden Gesicht. »Na, wie ist es gewesen?«
»Aufschlußreich.«
»Sie glauben ihm? Sie gehen davon aus, daß auf diesem alten Friedhof die Leiche des Streetworkers liegt?«
Ich gab ihm eine indirekte Antwort. »Der Fall liegt jetzt bei uns. Wobei ich noch immer nicht begreifen kann, daß Sie als Polizist den Aussagen nicht nachgegangen sind. Ihre Dienstauffassung ist miserabel.«
»Ausreden, Mr. Sinclair, nichts als Ausreden. Sie glauben gar nicht, was diese Dealer zu ihrer eigenen Entlastung auftischen. Die erfinden die tollsten Dinge. Das wenige, das stimmt, muß man auch noch filtern. Im Erfinden von Geschichten und Ausreden sind sie super.«
Ich wollte mich auf keine Diskussion über Dienstauffassung einlassen und nickte ihm zu. Es war ein Abschiedsgruß, denn ich lenkte meine Schritte auf den Lift zu.
Während ich allein nach oben fuhr, dachte ich an das Gespräch mit Koko zurück. Es hatte einiges gebracht – und, was letztendlich entscheidend für mich war, es war ihm gelungen, mich zu überzeugen. Da dachte ich anders als die Kollegen von der Metropoliten Police. Der Dealer hatte nicht gelogen, dann hätte er sich
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