Satanica
Figuren oder einfach nur viereckige Steine. Dieser Friedhof konnte keiner Religion zugeordnet werden, aber er war auch keiner gewesen, auf dem Verbrecher beerdigt wurden. Sonst hätte er nicht diese düstere Pracht ausgestrahlt. Es war tatsächlich so etwas wie eine düstere Pracht. Kalt auf der einen, aber faszinierend zugleich auf der anderen Seite. Ein Friedhof wie dieser spaltete Menschen in Befürworter und Ablehner.
Wir hatten beide geschwiegen und das Gelände auf uns einwirken lassen. Suko unterbrach das Schweigen mit einer aus seiner Sicht berechtigten Frage. »Ich hoffe, du weißt, wo wir das Grab finden können, John.«
»Klar. Koko hat mir den Weg beschrieben.«
»Siehst du hier einen Weg?«
»Du kannst ja Tarzan spielen und dich von einem Grabstein zum anderen schwingen.«
»Nur wenn du meine Jane bist.«
»Nein, darauf verzichte ich.«
»Dann geh vor.«
Gehen stimmte zwar, aber wir mußten uns den Weg bahnen, und das war nicht einfach. Immer wieder kreuzten starre oder nachgiebige Zweige unseren Weg.
Bäume gab es hier fast nicht. Sie standen weiter hinten und bildeten dort eine Mauer mit einigen Lücken. Ein paarmal blieb ich stehen. Dann stellte ich mich auch auf die höher liegenden Grabplatten, um besser sehen zu können.
Ich reckte mich, weil ich nach markanten Orten Ausschau hielt, die der Dealer mir gegenüber erwähnt hatte.
So hatte er auf eine recht hohe und schmale Steingestalt hingewiesen, deren Kopf die anderen überragte. Ich suchte diese Gestalt und schlug die entsprechende Richtung ein.
Suko blieb neben mir. Einen Weg fanden wir nicht mehr, weil alles zugewuchert war. Hin und wieder hörten wir unter unseren Sohlen ein leises Knirschen oder Schaben. Es wies darauf hin, daß wir uns auf einem Weg befanden, auf dem früher einmal Kies gelegen hatte.
Wir kämpften uns vor. Immer wieder schlugen die Zweige zurück, und wir waren von zahlreichen Gerüchen umgeben. Was da alles in unsere Nasen drang, war kaum zu identifizieren. Überragend war der Geruch von dem wilder Rosen.
Sperriges Buschwerk mußten wir umgehen, um nicht an irgendwelchen Dornen hängenzubleiben. Der Wind strich wie ein lauwarmer Atem über den Friedhof hinweg. Vögel zwitscherten. Manche segelten mit wilden Flügelschlägen über unsere Köpfe hinweg.
Auf die Grabstätten nahmen wir keine Rücksicht. Oft waren ihre Platten die besten begehbaren Flächen, weil sich die Natur dort nicht so stark hatte ausbreiten können.
Patina hatte sich über die Grabsteine und die Figuren gelegt. Hin und wieder waren die Grabplatten auch eingesackt, dann lagen sie schief im Boden, als warteten sie darauf, daß irgendwann die Toten wieder zum Leben erwachten, um sie völlig in die Höhe schieben zu können.
Suko beschwerte sich murmelnd. Da ich ihn nicht verstanden hatte, fragte ich nach.
»Was hast du?«
»Nicht viel. Mich wundert nur, daß es einen derartigen Friedhof in der Nähe von London gibt und wir nichts davon gewußt haben. Darüber denke ich nach.«
»Was wäre das Leben ohne Überraschungen?«
»Stimmt. Nur kann ich mir bessere vorstellen.«
Ich duckte mich unter den Zweigen eines niedrig wachsenden Baumes hinweg und wußte dann, daß es nicht mehr weit bis zum Ziel war, denn wenn ich schräg nach links schaute, war die schlanke Grabfigur einfach nicht zu übersehen. So war sie mir auch von Koko Craine beschrieben worden. Schlank, recht hoch und dabei trotzdem würdevoll, als wollte sie einen gewissen Respekt verbreiten.
Der direkte Weg war nicht möglich. Es sei denn, wir wären durch eine sehr niedrige Hecke gelaufen. Die aber steckte voller Dornen. So umgingen wir sie und erreichten unser Ziel von der Seite. Als hätte man uns einen Befehl gegeben, blieben wir stehen und hielten für einen Moment den Atem an.
Nicht weil wir geschockt waren, denn der zu erwartende Tote lag nicht vor dem Grab. Wir wunderten uns nur über die leere Grabplatte, auf der alle Ingredienzen abgeräumt worden waren. Hier waren Spuren vernichtet worden.
»Nichts, John!«
»Bist du sicher?«
»Zumindest auf den ersten Blick.«
»Eben. Gönnen wir uns einen zweiten.«
Dabei sahen die Dinge schon besser aus. Zuerst entdeckten wir den Kerzenwachs auf dem Gestein. Er war hart geworden und bildete gelbliche Flecken.
»Das ist die erste Spur«, sagte ich und strich mit den Fingern über die Reste hinweg. Sie verteilten sich an vier verschiedenen Stellen, wo eben noch die Kerzen gestanden hatten.
»Hier ist auch Blut,
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