Satanica
als wollten sie Haut sprengen.
An ihrem Gesicht war nicht abzulesen, was sie dachte. Es glich einer Maske. Sie kümmerte sich auch nicht um die manchmal erstaunten Blicke der anderen Fahrer, wenn sie mit ihren Autos den kleinen Bus überholten.
Es ging nur um die Sache. Nur um die Göttin. Um den Kontakt. Um den Krieg und um die Macht der Frauen.
Immer wenn sie daran und auch an ihre Herrin Satanica dachte, verzogen sich ihre Lippen zu einem Lächeln. Für sie war das mehr als wunderbar, so gut wie ein halber Sieg, und er würde sehr bald zu einem ganzen werden, wenn das Fest erst einmal begonnen hatte.
Das Fest auf dem Friedhof zu Ehren der Götter. Etwas Schöneres konnte es nicht geben. Es war der Weg in die Vergangenheit und zugleich der Weg zur Macht, die endlich das Patriarchat ablösen sollte.
Sie und Satanica machten den Anfang. Alle im Bus waren davon überzeugt, daß andere folgen würden.
Die belebteren Gegenden blieben hinter den Frauen zurück. Sie erreichten die Ausläufer der Einsamkeit, der Felder, der freien Flächen, der Wiesen und auch der kleinen Waldstücke, wobei sich die nächsten Orte weiter entfernt abmalten.
Es war für sie wunderbar. Sie genoß es. Es war das Leben, auf das Edda und die anderen immer gehofft hatten. Noch war es nicht dämmrig geworden. Allerdings schon etwas düster. Viele Fahrer hatten bereits die Lichter ihrer Autos eingeschaltet, aber der Bus fuhr nach wie vor ohne Licht, denn die Sicht war frei. Auch bis zu dem Punkt hin, an dem ihr Ziel lag.
Dort malte sich ein dunkler Streifen ab. Da gingen zwei Gebiete ineinander über. Zum einen der Friedhof und zum anderen der hinter ihm liegende Wald. Beide waren natürlich getrennt, aber aus der Entfernung nicht so genau zu unterscheiden.
Sie rollten weiter. Die breiteren Straßen hatten sie verlassen. Nur wenige schmale Wege durchkreuzten das Gelände. Natur, wohin man schaute, hineingedrückt in die Einsamkeit eines allmählich vergehenden Tages.
Das Fest lag vor ihnen. Eine Nacht, die keine der Frauen je vergessen würde, auch deshalb nicht, weil sich ihr Leben dann völlig ändern würde.
Edda lächelte. Angst verspürte keine von ihnen, nur eben die Erwartung.
Bald würde sie aber den Friedhof erreicht haben.
Der Asphalt und damit die Glätte der Wege verschwand. Der Bus holperte jetzt über Feldwege, die von Büschen flankiert wurden. Hin und wieder schlugen deren Zweige gegen die Karosserie, als wollten sie den Lack abkratzen.
Sie rollten dem Friedhof entgegen. Das Bild war deutlicher geworden. Es hatte sich von dem zweiten getrennt, und sie konnten bereits die Bäume ausmachen.
Auch jetzt verzichtete Edda darauf, die Scheinwerfer einzuschalten. Das Scheinwerferpaar war weit zu sehen, und auffallen wollten sie um keinen Preis. So rollte der Bus wie ein dunkelgrauer Schatten in den anbrechenden Abend hinein und auf den dunklen Umriß des Friedhofs zu, der für die Frauen zu einem Festplatz werden würde.
Ein Versteck für dieses große Fahrzeug gab es nicht. Edda stoppte nahe dem überwucherten Eingang und rannte los. Geschafft. Sie war erleichtert, ebenso wie die anderen Frauen.
Tief durchatmen. Aufatmen.
Die Frauen erhoben sich. An Schweigen war nicht mehr zu denken. Sie mußten einfach miteinander reden, und so flössen die flüsternden Echos durch den Bus, verloren sich aber, als die Frauen das Fahrzeug verlassen hatten.
Edda stieg als letzte aus. Sie überzeugte sich davon, daß keine Tasche mehr im Bus zurückgeblieben war. Dann erst drückte sie die Tür zu. Der Bus stand hier gut. Sie brauchten ihn erst am nächsten Morgen wieder zu besteigen.
Als geschlossener Pulk mit Edda an der Spitze näherten sich die Frauen dem Friedhof. Sie alle steckten voller Erwartung, und sie wirkten auch nicht mehr wie Tote, obwohl ihre Gesichter eine ähnlich graue, angestaubte Farbe zeigte, denn jede von ihnen hatte sich so gepudert, wie die Königin es verlangte und es zu dem entsprechenden Ritual gehörte.
Diszipliniert betraten sie den Ort ihrer Feier. Dicht hinter dem Eingang sammelten sie sich und ließen ihre Blicke schweifen. Es hatte sich nichts verändert. Satanica zeigte sich nicht. Das hatten sie auch nicht erwartet, denn sie würde an einer bestimmten Stelle auf der Grabplatte sitzend auf sie warten.
Der Friedhof war finster, zumindest von ihrer Stelle aus wirkte er so. Als sie die ersten hochwachsenden Büsche hinter sich gelassen hatten und ihre Sicht freier wurde, da entdeckten sie den schwachen
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