Satans Bruder
verblichenen, mit Fliegendreck bedeckten Kleider. Innen sah der Laden eher wie eine Scheune aus, mit Holzständen an einem mit Sägespänen bestreuten Gang und rohen Holzwänden.
Die meisten der Stände waren leer und auch die, auf denen Waren lagen, waren ohne Verkäufer. Ich sah billige, unmoderne Kleidung, Strandsandalen, Sonnenöl und Touristenkitsch - kleine Strohhütten aus Bambus und Plastik, tanzende Mädchen, ebenfalls aus Plastik, schmollende Südseegottheiten und zu Pufferfischen geschnitzte Kokosnüsse. Das ganze Gebäude roch nach Maismehl und Seewasser.
Das einzige andere menschliche Wesen in dem Laden war eine junge Frau mit einem frischen Gesicht in einem roten, ärmellosen Hemd, die hinter einem Tresen auf einen Fernseher starrte, der neben einem Münztelefon an der Wand zwischen ihrem und dem Nachbarstand hing. Sie bemerkte mich, gaffte aber weiter auf den Fernsehschirm. Das Bild war verschneit und streifig, ein Sender aus Guam. Es war ein Saal mit polierten Holzwänden und dem Markenzeichen einer Hotelkette über einem langen Banketttisch zu sehen.
Senator Nicholas Hoffman saß in der Mitte hinter einem Glas Wasser und einem Mikrofon. Er trug ein weißbraunes Batikhemd und mehrere Blumengirlanden in leuchtenden Farben. Die beiden Weißen neben ihm waren genauso gekleidet. Einen erkannte ich als einen Abgeordneten aus dem Mittleren Westen und der andere war von der gleichen Sorte - mit seiner steifen Frisur und seinem hungrigen Politikerlächeln. An den Enden des Tisches saßen vier Asiaten.
Hoffman schaute kurz in seine Notizen, bevor er in die Kamera lächelte. »Wir haben also eine gemeinsame Vision: ein stärkeres, wohlhabenderes Mikronesien, ein multikulturelles Mikronesien, das in großen Schritten und voller Zuversicht ins kommende Jahrhundert geht.«
Er lächelte erneut und verbeugte sich kurz. Dann war Applaus zu hören. Das Bild flackerte, wurde grau und verlosch. Die junge Frau schaltete wieder ein. Der Bildschirm blieb zunächst schwarz und dann kam eine zehn Jahre alte Familienserie. Nachdem sie die Liste der Darsteller gelesen hatte, sagte sie endlich: »Sie wünschen?« Es war eine angenehme, fast kindliche Stimme. Sie war vielleicht zwanzig und hatte kurzes, welliges haar. Sie trug keinen BH unter ihrem knappen Hemd. Sie litt an Akne und konnte wohl nicht als hübsch bezeichnet werden, doch ihr Lächeln war offen und liebenswürdig.
»Ich hätte gern etwas zu trinken, wenn Sie was haben.«
»Wir haben Coke, Sprite und Bier.«
»Zwei Coke und zwei Sprite, bitte.« Mein Blick fiel auf ein paar Taschenbücher hinter ihr auf dem Tisch. »Vielleicht nehme ich auch etwas zu lesen mit.«
Sie gab mir die Bücher: ein Stephen King, den ich schon kannte, und ein Weltatlas, beide mit schmutzigen Eselsohren.
»Haben Sie vielleicht irgendwelche Zeitschriften?«
»Vielleicht hier unten ...«Sie bückte sich und kam wieder hoch. »Nein, tut mir Leid; aber ich kann hinten nachschauen. Sie sind der Arzt, der bei Dr. Bill wohnt, nicht wahr?«
»Mein Name ist Alex Delaware.« Wir gaben uns die Hand und mir fiel auf, dass sie einen Diamantsplitterring trug.
»Ich heiße Bettina - Betty Aguilar.« Sie lächelte scheu. »Ich habe vor kurzem geheiratet.«
»Herzlichen Glückwunsch.«
»Danke. Er ist ein großartiger Mann - Dr. Bill, meine ich. Als ich klein war, hatte ich einmal einen schlimmen Husten, und er hat mich geheilt. Warten Sie, ich hole Ihre Dosen und sehe nach, ob wir was zu lesen haben.«
Sie verschwand durch eine Schwingtür.
Nach dem, was sie gesagt hatte, stand es nicht gut um meine Theorie, dass die Insulaner Dr. Moreland nicht ausstehen konnten.
Sie kam mit vier Dosen und einem Stapel Zeitschriften zurück. »Das ist alles, was ich gefunden habe. Sie sind leider ziemlich alt.«
»Ist es sehr schwer, an neuere Magazine zu kommen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wir kriegen, was gerade mit den Versorgungsbooten kommt. Normalerweise sind wir zwei Ausgaben zurück. Playboy und solche Sachen sind schnell verkauft, aber schauen Sie doch einfach durch, was wir haben.«
Es waren ein halbes Jahr alte Ausgaben von Reader's Digest, Time und Newsweek, und ganz unten fand ich mehrere Exemplare eines großformatigen, vierteljährlichen Hochglanzhefts namens Island World: traumhafte, lächelnde Inselschönheiten und sonnenverwöhnte tropische Landschaften.
Doch die waren drei bis fünf Jahre alt.
»Ich habe sie unter einem Karton gefunden«, erklärte Betty. »Ich glaube, die
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