Satans Erbe (German Edition)
jung und gesund.«
»Lisa ist zu jung. Hast du das bei deinen Erwägungen berücksichtigt? Petra war zehn Jahre älter, als eure Töchter zur Welt kamen, sie war eine ausgereifte Frau, Lisa ist noch ein Kind.«
»Ein Kind, das …« Arno brach ab. Er ließ den Kopf hängen und starrte ausdruckslos vor sich hin.
Benni gab auf. In diesem Zustand konnte er bei ihm nichts weiter erreichen.
Stunden später gelang es ihm, Arno wenigstens zu überreden, eine Hebamme einzustellen, die Lisa rund um die Uhr betreuen sollte, doch selbst daran knüpfte sein Bruder zahlreiche Bedingungen. Die Frau musste erfahren und zuverlässig sein, was ohnehin eine Selbstverständlichkeit war. Sie durfte nicht aus der Gegend stammen, sollte frei und unabhängig sein, sodass sie einen längeren Zeitraum bleiben konnte, ohne dass ihr eine eigene Familie am Bein hing.
Hinzu kam ein Dutzend weiterer Forderungen. Ein Gynäkologe sollte Hausbesuche machen und gegen Ende der Schwangerschaft entscheiden, wann es Zeit wurde, Lisa ins Krankenhaus zu verlegen.
Als Benni spät am Abend dazu kam, die Situation mit Ahriman zu besprechen, war seine Wut einer tiefen Resignation gewichen.
»Was hältst du davon, Ahriman?«
»Das mit der Hebamme halte ich für eine sehr gute Idee. Ich bin froh, dass du das durchsetzen konntest. Eine Hebamme wird genau wissen, was zu tun ist.«
»Ja, vielleicht. Aber wie finden wir eine? Und dann noch eine, bei der Arnos Bedingungen zutreffen?«
»Das Arbeitsamt ist wohl kaum unser Anlaufpunkt.«
»Ich hab eine Idee.« Benni sprang hoch. »Während meiner Studienzeit kannte ich eine Russin, die Medizin studiert hat. Sie wollte Gynäkologin werden. Kiruscha Schtscherbakowa.«
»Kiruscha Sch…was?«
Benni kicherte. »Schtscherbakowa!«
»Und weißt du, wo sie heute ist?«
»Nein, ich habe seit 13 Jahren keinen Kontakt mehr zu ihr.«
»Dann wird’s schwierig.«
»Eben nicht.«
Ahriman zog in seiner typischen Art die Augenbrauen empor, sodass Benni anfing zu lachen.
»Warum lachst du?«
»Du siehst süß aus mit deiner Grimasse.«
»Komm schon, spann mich nicht auf die Folter. Wie willst du sie finden?«
»Ihre Eltern waren oder sind noch berühmte Wissenschaftler in Moskau. Kiruscha hatte ein Stipendium an der LMU München erhalten, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der sowjetischen Akademie der Wissenschaften organisiert worden war.«
»LMU München?«
»Ludwig-Maximilians-Universität. Unwichtig …« Benni wedelte mit beiden Händen in der Luft.
»Ja, aber wie hilft uns das weiter?«
»Ich kenne jemanden, der bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft arbeitet. Und mit dem war Kiruscha befreundet. Entweder sie haben heute noch Kontakt oder er kann etwas aus dem Archiv ausgraben. Die Familie muss in Moskau zu finden sein.«
»Und du glaubst, die lassen die da raus?«
Bennis Gesichtsausdruck wandelte sich von Euphorie in Betroffenheit. »Ich hoffe es. Es gibt doch Besuchervisa.«
Ahriman hob entschuldigend die Hände. »Okay, okay, ich wollte dir den Mut nicht nehmen. Berühmte Eltern hinter dem Vorhang, ein reicher Freund davor. Garantiert lässt sich da etwas drehen.«
Es ließ sich etwas drehen. Benni war stolz auf seinen Erfolg, endlich konnte er sich beweisen. Es kostete ihn unzählige Telefonate, das Auffrischen alter Beziehungen, seinen ganzen Charme, einige großzügige Spenden, aber am Ende hatte er es nicht nur geschafft, Kiruscha zu finden, sondern auch ein unbefristetes Besuchervisum für sie erlangt. Er würde Kiruscha am Flughafen in Zürich abholen.
Sie hatte in der Tat ihr Medizinstudium beendet, war im Anschluss daran für fünf Jahre in einer deutschen Klinik beschäftigt gewesen und dann nach Moskau zurückgekehrt, wo sie in der International Medical Clinic als Frauenärztin tätig war. Kiruscha war hocherfreut über Bennis Anruf und bereit, sich beurlauben zu lassen, nachdem Benni fast vier Stunden mit ihr telefoniert und neben dem Attestieren der alten Freundschaft einen dicken Scheck ausgestellt hatte.
74.
Villa Felthen
Interlaken, Schweiz
November 1984
L isa war von Benni auf das Eintreffen der Ärztin vorbereitet worden. Er hatte stolz von seinem Erfolg berichtet, alles war nach seinem Plan verlaufen. Jetzt war Kiruscha da. Binnen weniger Tage war sie zu einer mütterlichen Freundin und unentbehrlichen Gesprächspartnerin für Lisa geworden. Die Bemühungen aller, Arno davon zu überzeugen, sie nicht so streng zu behandeln, fruchteten
Weitere Kostenlose Bücher