Satans Erbe (German Edition)
Armen. Es war dunkelrot und mit einer käsigen Schicht beschmiert, hier und da ein wenig blutig. »Elisa …«, hauchte sie. »Ist alles in Ordnung mit ihr?«
Kiruscha nickte. »Kümmern wir uns um Baby Nummer zwei«, befahl sie und gab Benni ein Zeichen, den Säugling zur Seite zu nehmen und zu versorgen, wie sie es abgesprochen hatten. Benni durchtrennte die Nabelschnur wie ein Fachmann und Lisa durchfuhr ein nie gekanntes Glücksgefühl. Die ihr vergönnte Pause war nur kurz. Abermals setzten Presswehen ein, aber so sehr sich Lisa bemühte, das zweite Baby wollte nicht kommen.
Kiruscha untersuchte die Lage des Kindes, stellte fest, dass es in der richtigen Position lag. Die Wehen wurden schwächer und ließen schließlich völlig nach.
Lisa wurde unruhig. »Was stimmt denn nicht?« Bange betrachtete sie den Kardiotokografen, aber die Herztöne waren beruhigend gleichmäßig.
»Die kleine Prinzessin da drinnen braucht wohl eine Pause …«, versuchte Kiruscha die Situation aufzulockern. Nach einer Stunde entschied sie, Lisa ein Wehen treibendes Mittel zu verabreichen und als dieses seine Wirkung entfaltete, spürte Lisa, dass es jetzt nicht mehr lange dauern würde.
Erneut überfielen sie die Schmerzen und die Welt um sie herum versank. Diesmal waren sie heftiger und Lisa konnte sich auf nichts mehr konzentrieren als deren Unterdrückung. Vage vernahm sie die Aufregung um sich herum. Irgendwann erhaschte sie verschwommen einen Blick auf Ahriman und auch ihren Vater meinte sie kurz gesehen zu haben. Das monotone und gleichmäßige Piepen fehlte ihr plötzlich, aber sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Alles wurde dunkler, doch bevor die völlige Nacht sie umklammerte, quälte sie sich mühsam daraus hervor. Sie hängte sich an Bennis Stimme, die immer wieder zu ihr sprach. Was, konnte sie nicht verstehen, aber irgendwann war die Stimme wieder laut und klar.
»Lisa, meine Süße. Es ist geschafft.«
Gleichzeitig spürte sie, wie etwas Kühles durch ihr Gesicht wischte. Mit einem Schlag wurde ihr klar, dass der Schmerz nachgelassen hatte und sie nur noch ein dumpfes Druckgefühl im Unterleib verspürte. »Wo ist Elena?«
Sie blickte Kiruscha und Ahriman auf die Rücken, die das Kind am Tisch versorgten. Ihre Bewegungen waren hektisch.
»Bitte … Kiruscha, Ahriman, Benni. Was ist mit dem Baby?«
Benni drückte zärtlich ihre Hand. »Sie versorgen es gerade. Hab Geduld, mein Engel.«
»Wo ist Elisa?«
»Sie ist nebenan bei Arno. Es geht ihr gut und sie schläft.«
»Und was ist mit Elena? Was machen die beiden mit ihr?«
Benni drückte ihre Hand fester. »Warte noch ein bisschen, sie sind bestimmt gleich fertig.«
Da drehte sich Kiruscha um und sah Lisa direkt in die Augen. Am Schmerz darin konnte sie erkennen, etwas Furchtbares musste passiert sein. Ihre Freundin trat auf sie zu und ergriff ihre andere Hand, während Benni noch fester zudrückte.
»Lisa, es tut mir sehr leid.«
Der Klang ihrer Stimme schreckte Lisa in diesem Moment fast ab. Der kehlige Singsang verursachte Übelkeit.
»Was? Was tut dir leid?«
»Elena hat es nicht geschafft, Lisa.«
Gepeinigt heulte Lisa auf. »O mein Gott, mein Gott. Wie konnte das passieren?«
»Elena hatte die Nabelschnur um den Hals gewickelt. Die Geburt ging zu langsam voran. Ich konnte nichts tun. Sie ist erstickt.«
Lisa dachte nur noch an ihre Babys, die sie doch eben noch beide gespürt hatte. Sie hörte Kiruscha aufschluchzen, sie wollte sich aufbäumen, aufschreien – aber dann wurde alles um sie herum schwarz.
77.
Villa Felthen
Interlaken, Schweiz
8. Januar 1985
S o etwas wie Hilflosigkeit hatte ich seit meinem fünften Lebensjahr nicht verspürt, doch jetzt versuchte sie, sich gnadenlos in mir breitzumachen. Ich beobachtete die Szenerie und dachte nur noch daran, wie es weitergehen sollte. Ich brauchte unbedingt die Tränen eines unschuldigen Kindes. Meines reinen Kindes! Dafür war leider auch Lisa als Mutter notwendig – zumindest für eine Weile, um das Kind zu nähren. Und die, die lag seit kurzer Zeit ohnmächtig auf dem Bett.
Naja, zur Not ginge es natürlich auch ohne sie. Alles, was ich brauchte, waren die Tränen des Balgs. Allerdings genug, um den Kelch zu füllen. Es würde Jahre dauern. Doch mein Weg lag klarer denn je vor mir.
Was bedeutete schon Zeit? Auf mich wartete die Ewigkeit. Die Tränenflüssigkeit würde gut konserviert aufbewahrt werden. Längst wusste ich, wie. Ich würde sie einfrieren, damit
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