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Satans Erbe (German Edition)

Satans Erbe (German Edition)

Titel: Satans Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maylynn
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lachte laut. Keine zehn Minuten später saß ich im Zimmer des Direktors. Ich verabscheute die Deutsche Privatschule. Nicht nur, weil hier hauptsächlich Spießer rumliefen, sondern auch, weil ich jeden Morgen mit einer alten Karre herfahren musste. Es kam mir vor, als brauchte der Bus Stunden, um sich an den ätzenden Prunkbauten vorbeizuschieben, durch die engen Gassen zu gondeln und den Tiber zu überqueren. Gerade jetzt, wo es auf den Sommer zuging, war es unerträglich.
    Der Direktor verwarnte mich und gab mir einen Brief für meinen Vater mit, der gleich hinter dem Schulzaun im Gebüsch landete. Ich sollte nach Hause fahren, über mein Fehlverhalten nachdenken, und bis morgen einen Aufsatz darüber schreiben, auf Italienisch. Ich ballte die Faust. Arschloch. Ich würde einfach nicht mehr in die Penne gehen. Niemand konnte mich daran hindern.
    Als ich vor dem Schulgebäude auf den Bus wartete, kam mir eine Idee. Ich spähte zu den Fenstern hinüber, hinter denen der Unterricht stattfand. Der Weg war frei.
    Ich schmiss meine Tasche zu dem wichtigen Brief vom Direktor, pirschte durch die verlassenen Gänge, versteckte mich vor einem umherwandernden Pauker und stand ungehindert vor der Tür zur Bibliothek. Diese war während der Schulstunden unbesetzt und erwartungsgemäß abgeschlossen. Ich zog mein Werkzeug aus der selbst genähten Innentasche der Hose, an die ich nur rankam, indem ich den Schlitz aufzog. Selbst wenn mich jemand abtastete, würde er mir wohl kaum direkt an den Schritt fassen, hatte ich gedacht, als ich mir mehrmals beim Nähen in den Finger stach.
    Endlich kauerte ich zwischen den Regalen.
    Ich wusste, wo die wertvollen Folianten standen, für die ich mich interessierte. Rasch klaubte ich einen Berg zusammen und bereute sogleich, meine Tasche nicht mitgenommen zu haben. Außerdem war der Bücherturm viel zu schwer. Ich stellte ein paar Bücher zurück, schob alles in den Holzregalen zurecht, damit keine Lücken meinen Diebstahl sofort auffliegen ließen, wuchtete den Stapel hoch und schlich vorsichtig von Ecke zu Ecke, bis ich die neue Lektüre in meine zurückgelassene Schultasche stopfen konnte. Ich atmete aus und grinste, als der Bus auf mich zutuckerte, ich war gerettet.
    »Simon Förster?«
    Ich wirbelte herum. Der Direktor stand am Haupteingang zur Schule und hob den Arm. Ich dachte nicht, ich handelte. Anstelle meiner Fahrkarte hielt ich dem Busfahrer ein Messer an den Unterleib, so tief, damit niemand es sehen konnte, und zwang ihn, loszufahren. Ich sah nicht zurück, hörte nur das lauter werdende Brummen des Motors und das Schließen der Türen. Lässig setzte ich mich auf den Sitz hinter dem Fahrer und blickte mich prüfend um. Ein alter Knacker lehnte in der Mitte am Fenster und betrachtete die Umgebung oder schlief. Genau konnte ich das nicht erkennen. Ich war mir jedoch sicher, dass er nichts bemerkt hatte. Und was wollte der Direktor noch von mir? Hatte er mich etwa beim Klauen beobachtet? Niemals! Ich ließ das Messer einschnappen und steckte es ein. Sollte ich dem Fahrer drohen, ihm zuflüstern, dass ich ihn umbringen würde, wenn er mich verpfiff? Ich verkniff mir ein Grinsen. Der Kerl war genauso antik wie der Klapperkasten, den er fuhr. Sicherlich hatte er den Vorfall längst vergessen.
    Eine Haltestelle vor der meinigen betraten unverhofft zwei Vigili Urbani den Bus und nahmen mich in Gewahrsam. Mein Vater holte mich am späten Abend von der Gemeindepolizeiwache ab. Er sagte kein Wort, aber die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    Eine Woche darauf schleppte ich mich wieder zur Schule. Offiziell hieß es, ich wäre krank gewesen. Die Folianten standen an ihren Plätzen und der Busfahrer hatte von einer Anzeige abgesehen, was unzweifelhaft Papa zu verdanken war. Doch nach einigen Tagen ging mir alles erneut auf den Sack. Ich ließ dieses Mal ein wenig geschickter drei Bücher verschwinden, bedrohte ein junges Mädchen in den Toiletten mit dem Messer und flog in hohem Bogen.
    Ich war frei, endlich.
    Ich traf mich täglich mit meinen Freunden, lernte wie von selbst Italienisch und eignete mir mit der geklauten Lektüre, die wie der Wein meines Vaters unter einer Bodenlatte lag, das fehlende Wissen über Satanismus an. Einen Monat später – an meinem zwölften Geburtstag – stieg ich zum vollwertigen Mitglied der »Ophiten« auf. Es hätte nicht besser laufen können. Dass ich zweimal die Woche Bürgersteige fegen musste, war ärgerlich, aber erträglich. Ich

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