Satans Erbe (German Edition)
arbeitete mit nacktem Oberkörper, bräunte meine Haut, trainierte meine Muskeln und erntete unter Garantie mehr bewundernde Blicke von den Mädchen als dieser Bronson von den Glorreichen Sieben. Ich pfiff ihnen I can‘t stop loving you hinterher und sie lachten. Ray Charles konnte ich zwar nicht ab, jedoch klappte es mit dem Lied eben am besten. Dumm an meiner Lage war nur, dass man mir den Zwang auflegte, mich alle zwei Wochen bei der Polizei zu melden. Eine Beamtin war für mich zuständig. Sie horchte mich über die vergangenen Tage aus – worüber ich ihr natürlich nichts auf die Nase band – fragte, wie ich mir meine Zukunft vorstellte und wie es mir sonst erginge. Zum ersten Treffen wäre ich fast nicht aufgetaucht, weil ich keinen Bock hatte. Ich tat es trotzdem, um meinem Vater Ärger mit der Gendarmerie zu ersparen. Ich würde mir mein schönes Leben versauen, falls Papa plötzlich den ganzen Tag zu Hause wäre.
Und dann kam alles anders. Ich freute mich, wenn die zwei Wochen vorüber waren, denn die junge Vigili war nicht nur äußerst nett und umgänglich, sie war auch noch hübsch. Außerdem hatte sie wohl einen italienischen Mann daheim, der niemals den Mund aufmachte. Bald erzählte sie mir mehr von ihrem Leben als ich ihr von meinem, oder sagen wir, es hielt sich die Waage, doch meine Geschichten waren meist erlogen. Ihr Gelaber interessierte mich nicht, aber die Polizeiarbeit, die Schichten, die Waffen, der Werdegang und die Einsätze. Irgendwann fragte sie, ob ich Polizist werden wolle und ich nickte eifrig – obwohl meine Beweggründe ganz anderer Natur waren. Sie versprach mir, dass alles gut würde.
Es war der schönste Sommer, den ich mir vorstellen konnte, bis ich eines Abends über die steile Treppe in unsere Wohnung schlüpfte, wo Vater bereits auf mich wartete. Ich blieb wie erstarrt im Wohnzimmer stehen und harrte dem Donnerwetter, doch es kam nicht. Stattdessen schwärmte er mir beim Essen von Berlin vor. Mir schwante Übles und ich sollte recht behalten. Mein Alter hatte eine neue Stelle angenommen – Fertigstellung der Sankt-Hedwig-Kathedrale in Berlin-Mitte. Im Ostblock! Einfach so, ohne mich zu fragen. Nein, sogar, um mich zu schützen!
Ich stand auf und stapfte auf mein Zimmer. Mein Regalbrett flog von der Wand und die Poster hingen in Fetzen, als ich wutschnaubend dem gesplitterten Spiegelbild die Fäuste entgegenwarf.
»Scheiße! Scheiße!«
Ich war sauer auf meinen Vater, auf die Penne, die Polente, im Besonderen auf die junge Vigili und auf mich selbst. Warum dachte ich nie vorher nach?
Ich suchte die ganze Nacht in meinen Büchern nach einer Lösung, doch die mächtigste Schlange der Welt und sogar der Teufel persönlich konnten mir nicht helfen. Ich musste die Ophiten verlassen.
Ich schwor mir, nur noch auf eines zu vertrauen – auf mich.
28.
Villa Felthen
Interlaken, Schweiz
28. Juli 1975
B lut tropfte von ihrem Finger. Lisa schaute verwundert auf das dünne Rinnsal, das an ihrem Zeigefinger entlanglief und bald ihr Handgelenk erreichen würde. Jetzt kam sie auch in den Himmel. Zu Mummy, Lena, Oma und Opa. Sie wartete. Kurz hinter ihrem Ellbogen bildete sich ein dicker Tropfen, aber er floss einfach nicht weiter. Die Farbe änderte sich langsam, aus Rot wurde Braun. Fasziniert starrte sie hin, doch nichts geschah.
Enttäuschung brannte ihr in der Kehle. Warum konnte nicht wenigstens Lena da sein? Nein, Mummy, Lena, beide!
Sie blickte sich in dem ehemaligen Schlafzimmer ihrer Eltern um und hielt mit der unverletzten Hand das Bild umklammert, auf dem Mummy in diesem wunderhübschen weißen Kleid neben ihrem lieben Papi stand. Der war nicht mehr da, jetzt hatte sie einen bösen Papi .
Lisa wusste, dass bald Arbeiter kommen würden, um aufzuräumen. John hatte es Martha erzählt und sie hörte genau zu. Nachdem Martha sie zum Mittagsschlaf ins Bett gebracht hatte, schlich Lisa sich so leise sie konnte aus ihrem Zimmer und huschte über den Flur. Sie wollte Sachen ihrer Mummy suchen, um sie zu behalten und zu verstecken. Das Foto war ihre erste Trophäe. Ihr Blick fiel auf ein Halstuch, das unter einem Berg Wäsche hervorblitzte.
Sie krabbelte über ein paar Bretter, die wackelten und schwankten, doch das machte ihr nichts aus. Lisa robbte noch ein Stück weiter, bis sie mit ausgestrecktem Arm einen Zipfel des Schals erreichte. Vorsichtig zog sie ihn heran. Sie wollte nicht, dass er irgendwo hängen blieb und zerriss. Endlich hatte sie es geschafft.
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