Satanskuss (German Edition)
Ariels Handgelenke und um ihre Fußknöchel geschlungen und so fest gezurrt, das sie vor Schmerz beinahe geschrien hätte. Doch diese Genugtuung wollte sie den Fremden nicht geben. Selbst nicht, als ein Stück Tuch unter den Sack, brutal in ihren Mund gezwängt und rücksichtslos fest an ihrem Hinterkopf gebunden wurde. Sie atmete bewusst tief ein.
Fisch, der Gestank von altem Fisch, der von dem Tuch ausging, war atemberaubend. Ariel würgte, als sich der Geruch in ihrem Mund festsetze und ihre Geschmacksknopsen betäubte und unangenehmes Brennen verursachte.
Grob wurde sie hochgerissen.
Es ist egal, in welchem Zustand sie mich haben , analysierte ihr Verstand. – Ariel wünschte sich, er würde damit aufhören.
Plötzlich war die Luft um sie herum warm. Die Novizin begriff, dass sie ins Innere des Hauses geschafft worden war. Und es ging weiter vorwärts. Gestoßen, gezerrt und geschupst. Von wie vielen Menschen konnte sie nicht feststellen, wusste nur sicher, dass es mehr als drei sein mussten. Die festen Fußfesseln verhinderten große Schritte, zwangen sie dazu, ihre Füße dicht an dicht zu stellen.
Als die Hände mit einem Mal von ihr abließen, taumelte Ariel nach vorne und verharrte im nächsten Augenblick erstarrt. Hinter ihr fiel eine Tür ins Schloss.
Zum Fischgeruch kam noch ein anderer Gestank. Erbrochenes, Pisse und andere Exkremente. Ariel würgte und zwang sich dazu, regelmäßig und flach zu atmen. Bloß nicht brechen .
Langsam ging sie vorwärts, vorsichtig und blind, mit hinter dem rücken gefesselten Händen, um sich nicht zu verletzen. Ihr Gefängnis hatte einen Durchmesser von vier mal vier Metern. Sie konnte außer der Tür, durch die sie hineingelangt war, nichts feststellen, keine Öffnung, keinen Fluchtweg.
Ariel scharrte an einer Stelle, an der der abstoßende Geruch nicht so intensiv war, mit den Füßen und setzte sich hin. Es war ihr unmöglich eine bequeme Position zu finden.
Bedächtig untersuchte die Novizin den Sitz des Hanfseils um ihre Gelenke. Aber derjenige, der sie gebunden hatte, verstand sein Handwerk. Ihre Versuche, die Knoten zu lösen oder zu lockern, ließen die Fesseln nur enger werden und tiefer ins Fleisch schneiden.
Ariel gab ihre hilflosen Bemühungen auf. Sie konnte ihre Kräfte für später sparen. – Zumindest hoffte sie, dass es ein Später geben würde.
Die Sekte! Eine Falle, von der Information, bis zu dem Zeitpunkt, wo du alleine und ohne Zeugen gewesen bist. – Und du bist wie ein dummes Schaf hineingelaufen. Kein Deut die überlegene Ermittlerin, nur noch die naive, junge Novizin die du vorgibst zu sein! Beinahe hätte Ariel über soviel Schicksalshumor gelacht.
Hat Simon etwas damit zu tun? Steckt er mit der Sekte unter einer Decke? Hat er dich absichtlich provoziert, damit du fortläufst?
Einige Minuten lang spielte Ariel mit diesem Gedanken, ging jedem Hinweis geistig nach und entschied sich dagegen. Simon hatte unmöglich ihre Reaktion vorhersehen können. Vielmehr war er in seinem maßlosen Selbstvermessen davon ausgegangen, sie würde für ihn fallen.
Die Schuld an ihrer derzeitigen Situation lag bei ihr – ausschließlich bei ihr. Hätte sie Simon wenigstens von der Information mit den Katakomben erzählt! Dann hätte sie eine Chance zu entkommen. Simon würde dich retten! Ariel ärgerte sich über ihren eigenen Gedanken: Sie hatte bisher keine Rettung durch Simon benötigt, warum fand sie es jetzt reizend von ihm gerettet zu werden?
Sie gab sich die Antwort gleich selber: Weil er ein Mann war, der sie reizte – in jeder Hinsicht. Und sie fürchtete zum ersten Mal um ihr Leben. Ariel war noch nie ernsthaft in Gefahr gewesen, aber wie hier mit ihr umgesprungen wurde, machte ihr klar, dass sie alle Veranlassung hatte, sich Sorgen zu machen.
Leise betete die Novizin darum, dass Simon in Sicherheit war und zählte die Sekunden zu Minuten.
Selim war geschockt. Und es war nicht leicht Selim zu schockieren.
Damit hatte er nicht gerechnet. Nicht im Entferntesten.
Aber er konnte nichts tun. Regeln waren Regeln.
Trotzdem überlegte er, ob er sie brechen sollte, um einmal in seinem Leben eine uneigennützige Tat zu vollbringen. Eine, die nicht ihn betraf – und die vielleicht die den Zusammenhalt der ganzen Familie in Gefahr brachte.
Er entschied sich dagegen, hockte sich in den Schatten des Schornsteins und verschmolz mit ihm. Niemand würde seine Anwesenheit bemerken, nicht die Sekte, nicht Simon und nicht Andros. – Selim würde
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