Satori - Winslow, D: Satori - Satori
Zwerg, zudem war er ihm sehr nützlich. Hier und da ein paar Piaster, ein paar Chips in den Casinos, gelegentlich auch mal ein Mädchen, das war nicht viel. Und Raynal brauchte Spione nötiger denn je, vor allem solche, die ihn vor Neuankömmlingen warnten.
Operation X – auf einen einfallsloseren Namen hätte man kaum kommen können – lief bislang wie geplant, aber es durfte jetzt nichts mehr dazwischenkommen, dachte er. Wenn »X« in die Hose ging, würde Frankreich den Krieg verlieren und damit auch Indochina, die letzten Reste des französischen Weltreichs.
Persönlich war Raynal das scheißegal – er würde viel lieber in einer anständigen boîte in Montparnasse sitzen und trinken, aber von Amts wegen betraf es ihn durchaus. Seine Aufgabe bestand darin, den Aufstand der Viet Minh im Süden niederzuschlagen, und wenn dazu unangenehme Operationen wie die sogenannte Operation X gehörten, dann c’est la guerre .
Aber De Lhandes brachte überholte Neuigkeiten. Signavi hatte bereits angerufen und berichtet, dass dieser Guibert of fensichtlich Waffen an Bay Vien verkaufte und in Laos Zeuge der geheimen Operation geworden war. Raynal hatte Signavis Entscheidung, Guibert in dem Flugzeug mit der Opiumladung mitfliegen zu lassen, heftig kritisiert, doch Signavi hatte ihm erklärt, Bay Vien habe ihm keine Wahl gelassen.
»De Lhandes?«
»Ja?«
»Macht es Ihnen was aus, bei diesem Guibert vorbeizugehen, was mit ihm zu trinken oder so?«, fragte Raynal. »Ihn ein bisschen auszuhorchen?«
»Wenn Sie das möchten, Patrice.«
»Bitte.«
»Natürlich.«
Raynal zog eine Schreibtischschublade auf, nahm einen gebrauchten Umschlag heraus und schob ihn über den Schreibtisch. »Für Ihre Auslagen.«
De Lhandes nahm das Geld.
108
Xue Xin schnitt eine Ranke vom Stein, blickte auf und sah einen jungen Mönch auf sich zukommen.
»Was ist?«, fragte er ungehalten.
»Ich habe eine Nachricht für Sie.«
»Was ist los?«
»Ich soll Ihnen ausrichten«, sagte der Junge und wirkte verwirrt, »dass die ›Go-Steine Perlen sind‹.«
»Danke.«
Der Junge blieb stehen.
»Du darfst gehen«, sagte Xue Xin.
Er kehrte an seine Arbeit zurück und lächelte.
Nikolai Hel war in Saigon.
109
Diamond nahm das Telegramm in Empfang und ging direkt zu Singletons Büro. Dort stand er sich gut vierzig Minuten im Wartezimmer die Beine in den Bauch, bis ihm die Vorzimmerdame mitteilte, dass er jetzt eintreten dürfe.
Der alte Mann sah nicht einmal von dem Berichtheft auf, das er gerade studierte. »Ja?«
»Hel ist in Saigon.«
Jetzt hob Singleton doch den Kopf. »Tatsächlich?«
Der Chef hatte eine seiner Launen, die man unter anderem daran erkannte, dass er ausschließlich mit knappen Gegenfragen antwortete. Diamond fuhr fort: »Sir, offenbar ist er mit einem französischen Militärtransport dort eingetroffen, zusammen mit einer Waffenlieferung. Gerüchten zufolge soll es sich um Bazookas handeln.«
Die Mitteilung machte Singleton gesprächiger.
»Woher kam der Flug?«
»X. K.«
»Steht das für ›Xieng Khouang‹?«
»Ja, Sir.«
Singleton überlegte einen Augenblick. »Das ist nicht gut.«
»Nein, das ist es nicht.«
Es war vor allem auch deshalb nicht gut, dachte Diamond, weil er diese Information nicht von Haverford, sondern von Signavi erhalten hatte, der ihn kurz nach Hels Abreise aus Cap St. Jacques angerufen hatte. Der Franzose hatte ihn ge beten, so viel wie möglich über diesen Michel Guibert herauszufinden. Signavi war besorgt wegen Guiberts angeblicher Verbindungen zu den Viet Minh, insbesondere zu dem Agenten Ai Quoc. Signavis vietnamesische Sondereinsatzkräfte machten seit Monaten erfolglos Jagd auf ihn.
»Wer ist jetzt im Besitz der Waffen?«, fragte Singleton.
»Die BX«, erwiderte Diamond. Als er Singletons genervten Gesichtsausdruck sah, ergänzte er: »Die Binh Xuyen.«
»Hel ist kreativ.«
»So kann man’s auch nennen.«
»Fällt Ihnen eine bessere Umschreibung ein?«
»Nein, Sir.«
Singleton lehnte sich zurück und dachte nach. Dieser Hel ist wirklich bemerkenswert, dachte er.
Bemerkenswert, unberechenbar und gefährlich.
»Kümmern Sie sich darum«, sagte Singleton.
»Was soll ich Haverford sagen?«
Singleton sinnierte über Hels bemerkenswerte Flucht aus Peking.
»Warum wollen Sie ihm überhaupt etwas sagen?«
Er widmete sich erneut dem Bericht.
Diamond blieb noch ein paar Sekunden stehen, bis er merkte, dass das Gespräch beendet war. Mit dem verächtlichen Blick der
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