Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)
aufbauten, die Mädchen, die wir angestellt hatten, in der Küche laut mit Pfannen und Töpfen hantierten, und wie ich Angst hatte, die Augen zu öffnen und diesem Tag entgegenzusehen, mit seinem Pomp und seiner endgültigen Entscheidung, die ich ja schließlich nicht selbst getroffen hatte.
Danach nur noch unzusammenhängende Eindrücke: Der neue, mit Maiglöckchen bestickte Frack, den Vater bei Schneider Herrera für mich bestellt hatte, zwickte mich unter den Achseln, als ich das Halstuch band; als ich ins Parterre hinunterging, kam ich an einer Dienstmagd vorbei, die auf einer Schippe zwei tote Mäuse trug, die sie aus der Falle geholt hatte. Von der Zeremonie habe ich nichts in Erinnerung, absolut nichts. Erst die gedeckten Tische, die Hitze, wie mir der Schweiß über den Hals lief und in das Tuch sickerte. Den unglücklichen Gesichtsausdruck von Gumersinda – die Ärmste, sie aß fast nichts, denn mein Frack war gar nichts im Vergleich zu ihrem Korsett. Wie ein Fräulein aus gutem Hause nahm sie hier und da etwas: ein Stückchen Fleisch, das sie fünfzehnmal auf der einen, dann fünfzehnmal auf der anderen Seite kaute, mit einem Schluck Wasser nachspülte, dann ein Stückchen Aubergine und wieder: fünfzehnmal auf der einen, auf der anderen, ein Schluck Wasser …
Das Gebrüll der Cousins, die schlüpfrigen Witze, die ich nicht komisch, sondern widerlich fand. Und am nächsten Morgen das demonstrativ gezeigte Laken mit dem roten Fleck, wie von einem erdrückten Insekt. Der Morgen, mit dem mein Erwachsenenleben begann. Ich weiß nicht wozu.
Francisco spricht
Eine Schwiegertochter im Haus ist wie ein Gast im Haus. Man muss sie mit offenen Armen empfangen, sie aufheitern und nicht einfach im Zimmer stehenlassen wie ein überflüssiges Möbel. Ich dachte, die Hochzeit werde etwas ändern, doch dieser Griesgram war danach genauso schweigsam wie davor; weiterhin schlich er herum, las ein Buch, legte es wieder weg, glotzte aus dem Fenster, zeichnete heimlich etwas in sein Skizzenbuch. Sonst tat er nichts. Und da war schließlich diese junge Frau, eingeschüchtert, an das fremde Haus nicht gewöhnt – und nirgends Hilfe in Sicht. Die Schwiegermutter mag sie nicht besonders, ab und zu spricht sie notgedrungen mit ihr, aber nicht, dass sie ihre Gesellschaft suchen würde. Eigentlich geht es ja nicht an, dass sich der Schwiegervater mit der Kleinen beschäftigt, der sich von früh bis spät für die Familie abrackert und außerdem stocktaub ist, wenn er dem etwas verlorenen Mädchen auch mit Humor und einer gewissen Herzlichkeit begegnet. Aber was sollte ich tun, da es keinen anderen Ausweg gab? Ich habe sie eben unterhalten. Ein rechter Mann findet immer Zeit, sich für das Wohl anderer zu verwenden.
Ein Gespräch mit einem Tauben ist der Monolog des Tauben. Was aufgeschrieben wird, schnell und nervös, sind meist Bruchstücke – nur eine Frau saß ganze Stunden mit mir da, hörte zu und schrieb lange, komplizierte Sätze voller Witz und Wortspielchen hin, die ich dann las und mit einem schallenden Lachen oder einer ernsthaften Kopfbewegung quittierte. »Du nickst mit dem Kopf wie ein alter Muli, Paco«, schrieb sie mir dann. Und danach nur noch »alter Muli«, und wir wussten beide, was gemeint war. Schließlich reichten ihr selbst zum Herausschälen eines komplizierten Sachverhalts einige vereinbarte Zeichen und ein paar witzige Ornamente. Aber sie lebt nicht mehr – vielleicht hat sie kalte Orgeade mit Schnee aus Guadarramas getrunken und das Sommerfieber hat sie dahingerafft, oder vielleicht hat ihr Arzt sie auf Geheiß des Hofes vergiftet? So oder so zerfällt sie jetzt in ihrem Grab bei den Missionaren, und nach drei Jahren wird von ihr sicher nur noch das Skelett übrig sein, bedeckt mit einer Flut von schwarzem Haar, das in der Dunkelheit verbleicht.
Mit Gumersinda war es also eher so, dass ich mit ihr sprach, als dass ich gelesen hätte, was sie mir aufschrieb, was sie im Übrigen mit so kleiner und schüchterner Schrift tat, dass ich es mit bloßem Auge kaum entziffern konnte. Ich habe ihr erzählt, ich hätte als Kind, noch in Fuendetodos, mit einem gewöhnlichen rußgeschwärzten Stöckchen ein Schwein an die Wand gemalt, und der Pfarrer, der einen Sack Getreide in die Mühle trug und gerade vorbeikam, sei stehengeblieben und hätte gesagt, man sollte mich in die Zeichenschule nach Saragossa schicken. Das habe ich natürlich von Vasari – wenn ich auch ein Bauer vom Land bin, so habe ich doch
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