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Saturn

Saturn

Titel: Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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genauer gesagt.
    Professor Wilmot verbrachte die Abende wie immer mit der
    Betrachtung von Videofilmen. Wenn er sich in seinen
    Lieblingssessel setzte, mit der Rechten genießerisch das
    Whiskyglas schwenkte und sich seine Sadomaso-Pornos zu
    Gemüte führte, vergaß er das Habitat und alle Probleme.
    Wenn eine Szene besonders abstoßend war, verspürte er
    manchmal den Anflug eines Schuldgefühls. Aber das verflog
    bald wieder. Das ist alles nur gestellt, sagte er sich. Man würde
    solche Videos doch nicht produzieren, wenn es keinen Markt
    für sie gäbe. Ich bin schließlich nicht der Einzige, der so etwas
    goutiert.
    Er hatte die Kollektion, die er an Bord des Habitats
    mitgebracht hatte, schon zweimal angesehen und die
    Lieblings-Videos noch öfter. Wochenlang spielte er mit dem
    Gedanken, Nachschub von der Erde anzufordern. Es werden
    doch laufend neue Streifen gedreht, sagte er sich. Neue
    Gesichter. Neue junge Körper.
    Es war allerdings riskant, einen Lieferanten auf der Erde
    anzurufen und neue Videos zu bestellen. Selbst wenn er die
    Bestellung über einen Mittelsmann in Selene abwickelte,
    würde man die Anrufe zum Habitat zurückverfolgen können.
    Aber es leben hier zehntausend Menschen, sagte er sich. Wie
    sollte man auf die Idee kommen, dass ausgerechnet ich es bin
    und nicht irgendein Farmarbeiter? Zumal ich mit Sicherheit
    nicht der Einzige an Bord bin, der einen ähnlichen Geschmack
    hat und solche Bestellungen tätigt.
    Nachdem er nun wochenlang mit sich gerungen und immer
    dieselben alten Videos geschaut hatte, schickte er über die aus
    einem gebündelten Laser bestehende Kommunikations-
    Verbindung des Habitats eine Order an die Erde ab. Sie war
    natürlich codiert. Es wird schon niemand etwas merken, sagte
    Wilmot sich. Wer sollte auch die Kommunikations-
    Verbindung anzapfen? Es ist ja nicht so, dass ich meinen
    persönlichen Telefonanschluss benutzt hätte. Es müsste schon
    jemand sämtliche aus- und eingehenden Nachrichten
    abfangen, um meine kleine Bestellung zu finden. Wer wäre
    wohl so fanatisch?
    87 Tage bis zur Ankunft
    »Es ist wirklich bemerkenswert«, sagte Wilmot zu seinem
    Computer. »Sie haben eine Verfassung ausgearbeitet und
    bereiten Wahlen vor. Zu dem Zeitpunkt, wenn wir in eine
    Umlaufbahn um den Saturn gehen, werden sie bereit sein, die
    Macht auf die neue Regierung zu übertragen.«
    Der Computer verschlüsselte die Worte automatisch für die
    Übertragung zur Erde: zum Hauptquartier der Neuen
    Moralität in Atlanta, den heimlichen Sponsoren der Saturn-
    Mission. Wilmot war der Einzige an Bord des Habitats, der
    wusste, aus welcher Quelle sein Experiment finanziert wurde,
    und er hatte auch vor, dieses Geheimnis zu bewahren. Die
    Berichte für Atlanta waren privat, codiert und wurden über
    das automatisierte Lasersystern abgestrahlt anstatt über die
    regulären Kommunikationsverbindungen des Habitats.
    »Dieser Eberly hat sich eine Art Hausmacht geschaffen«,
    fuhr Wilmot fort, »womit ich im Grunde gerechnet hatte. Die
    Wissenschaftler haben sich zu einer politischen Gegenmacht
    formiert, die von Dr. Urbain angeführt wird. Offen gesagt
    scheint Urbain sich mehr für die Befriedigung seiner
    persönlichen Eitelkeit zu interessieren als für Politik, aber die
    Technikfritzen scheinen ihn dennoch als Anführer zu
    akzeptieren.
    Sogar die Ingenieure haben eine Art Block gebildet. Ihr
    Anführer ist ein russischer Exilant namens Timoschenko. Er
    behauptet zwar, dass er mit Politik nichts am Hut habe.
    Trotzdem hat er sich von den Ingenieuren als Kandidat für die
    Position des Verwaltungschefs nominieren lassen. Ich
    bezweifle aber, ehrlich gesagt, dass er auch nur den Hauch
    einer Chance hat.
    Wohl gibt es hier und da ein paar Reibereien, doch im
    Großen und Ganzen sind die politischen Kampagnen ohne die
    üblichen Unflätigkeiten und Streitigkeiten abgelaufen ‒ was
    außergewöhnlich anmutet, wenn man bedenkt, dass der
    Großteil unserer Population aus Dissidenten und Freidenkern
    besteht, die sich auf der Erde in die Bredouille gebracht haben.
    Meines Erachtens liegt das aber daran, dass der größte Teil der
    Bevölkerung sich keinen Deut um diese politische Kampagne
    schert. Die meisten Leute stehen ihrer eigenen Regierung
    völlig gleichgültig gegenüber. Wie sie überhaupt bestrebt sind,
    sich jeglicher Verpflichtung zu entziehen.«
    Wilmot lehnte sich auf dem gemütlichen Bürostuhl zurück
    und las sich den Entwurf noch einmal durch, der über

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