Saturn
ihr Gesicht sich zu einem
Stirnrunzeln verzog, als sie Manuel Gaetas Mitteilung an sie
las.
»Selbst wenn ich nicht zum Titan komme, sollte dieser Stunt
zu den Ringen Sie für den Trip entschädigen ‒ mit Zins und
Zinseszins.«
Ja, aber was ist mit meiner Schwester, fragte Pancho sich
stumm.
Gaeta schwadronierte über seine möglichen Stunts, während
Pancho wutentbrannt am Schreibtisch saß. Was ist mit Susie,
fragte sie sich. Ich meine natürlich Holly.
»Ihrer Schwester geht es gut, Ms. Lane«, sagte Gaeta
schließlich. »Sie ist eine sehr aufgeweckte junge Frau. Sehr
intelligent. Und noch dazu sehr attraktiv. Sie hat viele Freunde
gewonnen und scheint sich hier sehr wohl zu fühlen. Sie
brauchen sich keine Sorgen um sie zu machen.«
Bei seinem ›und noch dazu sehr attraktiv‹ wurde Pancho
jedoch hellhörig. Gaeta eilte nämlich ein gewisser Ruf voraus.
Ein stattlicher Kerl, das musste Pancho schon zugeben. Ich
würde ihn nicht von der Bettkante stoßen. Ob er es mit meiner
Schwester treibt?
Pancho seufzte. Und wenn, könnte ich auch kaum etwas
daran ändern. Ich hoffe nur, dass Susie es genießt. Und wehe,
er verletzt sie. Falls er das tut, wird das sein letzter Stunt sein.
Der allerletzte.
Professor Wilmot wippte leicht auf dem Bürostuhl und
diktierte den Statusbericht für Atlanta.
»Es ist interessant, die unterschiedlichen Motivationen dieser
Leute zu beobachten. Eberly scheint es weniger um Macht als
um Verehrung zu gehen, so habe ich den Eindruck. Der Mann
will vom Volk angebetet werden. Ich bin mir aber nicht sicher,
was Vyborg will; bisher habe ich mich nicht zu überwinden
vermocht, ihm persönlich gegenüberzutreten. Und Berkowitz
ist froh, dass er der Verantwortung für die Leitung der
Kommunikationsabteilung enthoben wurde. Er ist zu seinen
Ursprüngen als aktiver Nachrichtenmann zurückgekehrt. Ich
weiß zwar, dass es gewisse Reibungen zwischen ihm und
Gaetas Technik-Crew gibt, aber das ist verständlich. Völlig
normal.
Gaeta ist auf seine Art ein faszinierender Typ. Er will bei
diesen Stunts, die er durchführt, wirklich sein Leben aufs Spiel
setzen. Er genießt es geradezu. Das bringt ihm natürlich auch
Geld und Ruhm ein, aber ich glaube, dass er es auch so tun
würde ‒ des bloßen Adrenalinstoßes wegen, den er dabei
verspürt. Auf eine seltsame Art und Weise ist er wie ein
Wissenschaftler. Nur dass Wissenschaftler den intellektuellen
Triumph genießen, als Erster ein neues Phänomen entdeckt zu
haben, während dieser Stuntman das sinnliche Erlebnis
genießt, als Erster am Schauplatz zu sein.«
205 Tage bis zur Ankunft
Holly verbrachte die Nächte allein in ihrem Apartment und
rief Programme über Gerichtsmedizin auf der Erde auf. Sie
erinnerte sich mit brillanter Klarheit, wie Don Diegos
verkrümmter Körper ausgesehen hatte, als sie ihn mit dem
Kopf im Wasser im Bewässerungskanal entdeckt hatte. Sie
erinnerte sich an jede Einzelheit der Autopsie: Keine
Herzattacke, kein tödlicher Schlaganfall, überhaupt nichts
Ungewöhnliches außer dem Umstand, dass die Handballen
etwas aufgeschürft zu sein schienen und die Lunge voll
Wasser war.
Wodurch sind seine Hände aufgeraut worden, fragte Llolly
sich und befand, dass es der Betonboden des Kanals gewesen
sein musste. Dann suchte sie nach einem Grund, weshalb die
Hände lädiert waren. Schließlich gelangte sie zum Schluss,
dass er versucht hatte, den Kopf aus dem Wasser zu heben
und sich bei diesem Versuch die Handballen aufgeschürft
hatte.
Wieso hatte er dann aber nicht aufzustehen vermocht, wenn
er es so angestrengt versucht hatte? Weil etwas ‒ oder jemand
‒ ihm den Kopf ins Wasser gedrückt hatte. Man hatte ihn
ertränkt. Ermordet.
Nun wollte Holly sich nicht mehr nur auf ihr Gedächtnis
verlassen, wenn es auch noch so gut war. Sie rief den
Autopsiebericht auf und studierte ihn ein paar Nächte
hintereinander. Keinerlei Anzeichen von Gewalteinwirkung.
Nur die Abschürfungen an den Händen.
Es war nicht viel, was sie hatte. Doch Holly verfolgte diesen
einen Hinweis wie ein Spürhund. Sie hielt es für einen
Hinweis. Sie war davon überzeugt, dass Don Diego ermordet
worden war.
Aber wieso? Und von wem?
Sie schloss die Augen und ließ die Szene erneut Revue
passieren, als sie die Leiche des alten Manns gefunden hatte.
Keine Spuren eines Kampfs. Keine Besonderheiten auf der
zum Kanal hinunterführenden Böschung außer Fußspuren.
Abdrücke von Stiefeln,
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