Saturn
runzelte die Stirn und warf ihrer Schwester einen
Blick zu. »Er heißt nicht einmal mehr Malcolm Eberly. Er hat
seinen Namen geändert.«
Susan lächelte wissend. »Na und. Was macht das denn für
einen Unterschied?«
»Er wurde in Omaha, Nebraska, als Max Erlenmeyer
geboren«, sagte Pancho streng. »'84 ist er in Linz wegen
Betrugs festgenommen worden, versuchte dann aus Österreich
zu fliehen und…«
»Das ist mir schnurz! Das ist doch Schnee von gestern! Er hat
sich geändert. Er ist nicht mehr derselbe, der er damals war.«
»Du wirst trotzdem nicht gehen.«
»Werde ich doch«, beharrte Susan und runzelte nun
ihrerseits die Stirn. »Ich werde fliegen, und du kannst mich
nicht daran hindern!«
»Ich bin dein gesetzlicher Vormund, Susie.«
»Ach was! Das interessiert mich nicht die Bohne. Ich bin
doch schon fast fünfzig Jahre alt.«
Dabei sah Susan Lane nicht viel älter aus als zwanzig. Sie
war gestorben, als sie noch ein Teenager war ‒ getötet durch
eine tödliche Injektion, die Pancho selbst ihr in den bis auf
Haut und Knochen abgemagerten Arm gespritzt hatte. Dann
war die klinisch tote Susan in flüssigem Stickstoff eingefroren
worden, um auf den Tag zu warten, da die medizinische
Wissenschaft den Krebs zu heilen vermochte, der den jungen
Körper verwüstete. Pancho hatte ihren Tiefkühl-Sarg zum
Mond gebracht, als sie die Stelle als Astronautin für die Astro
Manufacturing Corporation antrat. Irgendwann war Pancho in
den Vorstand von Astro aufgestiegen und schließlich zur
Vorstandsvorsitzenden avanciert. Und derweil wartete Susan
in ihrem Bad aus flüssigem Stickstoff ‒ wartete darauf, bis
Pancho sicher war, dass man sie wieder zum Leben zu
erwecken vermochte.
Es dauerte über zwanzig Jahre. Und nachdem Susan wieder
belebt und vom Krebs geheilt worden war, der ihren jungen
Körper zerfressen hatte, glich ihr Bewusstsein einem
unbeschriebenen Blatt. Pancho hatte damit gerechnet; aus dem
Kälteschlaf erweckte Menschen hatten normalerweise fast alle
neuronalen Verbindungen im zerebralen Kortex verloren.
Sogar Saito Yamagata, der mächtige Gründer der Yamagata
Corporation, war fast mit dem Bewusstsein eines
Neugeborenen aus dem Kälteschlaf erwacht.
Also hatte Pancho ihre Schwester ‒ ein Kleinkind im Körper
eines Teenagers ‒ gefüttert, gebadet und ihr wieder
beigebracht, die Toilette zu benutzen. Und sie hatte die besten
Neurophysiologen nach Selene geholt, damit sie dem Gehirn
ihrer Schwester mit Injektionen, Gedächtnisenzymen und
RNA wieder auf die Sprünge halfen. Sie zog sogar eine
Nanotherapie in Erwägung, verwarf diese Idee dann aber
wieder; Nanotechnik war in Selene zwar zugelassen, aber nur
unter strengen Auflagen. Zumal die Experten es selbst für
unwahrscheinlich hielten, dass Susan mit Hilfe von
Nanomaschinen die verlorene Erinnerung zurückerhalten
würde. Das waren schwierige Jahre, doch allmählich
entwickelte sich eine junge Erwachsene, eine Frau, die wie die
Susie aussah, an die Pancho sich erinnerte ‒ nur dass ihre
Persönlichkeit, ihre Einstellung und ihr Bewusstsein sich
grundlegend verändert hatten. Susan erinnerte sich nicht mehr
an ihr früheres Leben, doch dank der ihr verabreichten Neuro-
Booster hatte sie nun ein annähernd fotografisches Gedächtnis:
Wenn sie einmal etwas sah oder hörte, vergaß sie es nicht
mehr. Sie vermochte sich mit einer solchen Präzision an
Einzelheiten zu erinnern, dass Pancho schier schwindlig
wurde.
Nun saßen die Schwestern sich gegenüber und funkelten
sich an. Pancho auf der dick gepolsterten, burgunderroten
Kunstledercouch in der Ecke ihres großzügigen Büros, und
Susan saß angespannt auf der Kante des niedrigen Stuhls auf
der anderen Seite des geschwungenen Kaffeetischs aus
Mondglas. Die Ellbogen hatte sie auf die Knie gestützt.
Sie sahen sich so ähnlich, dass man sie sofort als Schwestern
identifizierte. Beide waren groß und schlank, hatten lange
Beine und Arme und schlanke, athletische Körper. Panchos
Haut war etwas dunkler, als habe sie sich in einem
Sonnenstudio gebräunt, Susans eine Nuance heller. Pancho
hatte ihr Kraushaar raspelkurz geschnitten und mit modischen
grauen Klecksen gefärbt. Susans braunes Haar war durch eine
Spezialbehandlung lang und füllig geworden; sie trug es nach
der neuesten Mode schulterlang. Bei der Kleidung ging sie
auch mit der Mode: Sie trug ein bodenlanges Seidenkleid mit
kleinen Gewichten in den Säumen, damit der
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