Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi
verwechselt zu haben.
»Nein«, sagte Legler fest. »Ich habe keine Mappe mit Unterlagen, die nicht mir gehören. Diese Mitarbeiterin muss das anderswo verwechselt haben. Und was hat das mit 7000 Franken zu tun?«
Dürst erklärte es ihr.
»7000 Franken? Und eine Karte mit Dankeszeilen? Wollen Sie behaupten, ich lasse mich bestechen?«, fuhr die Politikerin ihn an. Selbstbeherrschung war noch nie ihre Stärke gewesen, das wusste sie selbst.
»Das habe ich gar nicht behaupten wollen«, bemerkte Dürst trocken, »aber es ist natürlich eine interessante Möglichkeit. Auf Wiedersehen.«
Streiff saß in seinem Büro. Auf seinem Schreibtisch wuchsen Aktenberge, an der Pinnwand steckten Zettel, die ihn an eine Vielzahl von dringend zu erledigenden Dingen erinnerten. Hinter dem Telefon versteckte sich ein halb aufgegessenes Sandwich, Streiff hatte keine Zeit, Mittagspause zu machen, aber das Brötchen schmeckte ihm nicht. Wieder einmal dachte er an Elmer, die sich einfach so mir nichts, dir nichts in ihren Babyurlaub verabschiedet hatte. Er fühlte sich ein bisschen verraten. Immer hatte sie so eifrig getan, lernen wollen, Karriere machen wollen – und dann das. Plötzlich zog sie es vor, monatelang ein kleines Kind zu säugen und zu wickeln. Unglaublich. Dazu waren von seinen übrigen Mitarbeitern zwei krank. Die Schweinegrippe hatte nun auch Zürich erreicht. Sein Telefon klingelte. Dürst. Ein junger Kollege vom Einbruch, den Streiff nur flüchtig kannte. Er fragte nach den Drohbriefen an Angela Legler.
»Sind Sie dafür zuständig? Hängen die Briefe mit einem Ihrer Fälle zusammen?«
Streiff erklärte, dass er zufällig Zeuge des Angriffs geworden war und sich dann halt auch die Briefe angeschaut hatte. Dürst steuerte die Geschichten vom Einbruch und vom Entreißdiebstahl bei.
»Sieht nach einer interessanten Geschichte aus«, meinte Streiff, »kommt doch einiges zusammen. Aber ich habe wirklich keine Zeit, um mich …«
»Nicht nötig«, unterbrach ihn Dürst hastig, »ich bleibe da schon dran.« Keinesfalls würde er sich diesen schillernden Fall wegschnappen lassen. »Solange niemandem der Schädel eingeschlagen wird, kümmere ich mich um die Sache«, versicherte er. »Also, wie war das mit dem Angriff auf Angela Legler auf dem Flohmarkt?«
Streiff gab ihm bereitwillig die Details. Ein bunter Pullover, überlegte Dürst. Der könnte selbstgestrickt sein. Und das ist heutzutage rar. Er wusste das, weil seine Frau, die für die Spitex Wiedikon arbeitete, in ihrer Freizeit leidenschaftlich gern strickte. Sie sei eine aussterbende Spezies, sagte sie jeweils. Sie strickte Pullover, unifarbene, geringelte, solche mit Rhombenmuster, schwarze, grüne, blaue, gelbe. Sie entwarf und strickte mit Liebe und Fantasie. Ihre Werke verkaufte sie jedes Jahr beim Weihnachtsbasar der Kirchengemeinde und auf dem Weihnachtsmarkt in der Altstadt. Letztes Jahr hatte sie aus Wollresten einen sehr bunt gemusterten Pulli gestrickt und verkauft. Und dieses Jahr hatte sie, weil sie wieder verschiedenfarbige kleine Knäuel übrig hatte, nochmals einen solchen verfertigt. Der musste zu Hause irgendwo herumliegen. Er rief Anita an. Sie war gerade dabei, einer alten Frau, die sich das Handgelenk verstaucht hatte, den Verband zu wechseln.
»Meine Pullover?«, rief sie erstaunt, »meine harmlosen, fröhlichen Pullover sind in eine Straftat verstrickt? Wie spannend! Ja, es liegen zwei im obersten Fach des Schranks im Schlafzimmer. Einer davon ist bunt, ähnlich wie jener vom letzten Jahr. Aber dass du ihn mir ja wieder zurücklegst. Der ist für den Basar versprochen.«
»Danke, Schatz.« Dürst legte auf, ohne irgendwelche Zusicherungen gemacht zu haben. Er fuhr nach Hause und tauchte eine halbe Stunde später bei Streiff im Büro auf.
»Hat der Pullover so ausgesehen?«
Streiff rieb sich die Augen. Hatten die Kollegen vom Einbruch zu wenig zu tun?
»Ungefähr, ja. Ich habe nur einen Ärmel gesehen. Aber die Farben stimmen. Und jedenfalls war es ein lebhaftes Muster.«
Dürst zog zufrieden ab.
Valerie und Lina saßen im Café Ernst an der Bahnhofstraße. Ab und zu trafen sie sich für eine kurze Mittagspause. Diesmal hatte Lina es nicht einfach vorgeschlagen, sondern Valerie geradezu herbestellt. »Ich muss unbedingt mit dir reden. Und übrigens habe ich eine Beule auf der Stirn. Bloß, damit du dich nicht wunderst.«
Valerie hatte sich die Geschichte angehört, während sie eine Gulaschsuppe löffelte, ohne viel zu
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