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Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Titel: Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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Stelle suchte, war ein solcher Fleck auf der weißen Weste trotzdem äußerst störend. Bruno hatte sie da reingeritten, er war schuld. Sie hatte schon seit Langem keinen Kontakt mehr zu ihm. Kürzlich hatte sie ihn entdeckt, als sie an einem Samstag die Stauffacherstraße hinaufgegangen war. Übers Flohmarktareal war er geschlendert. Ob er immer noch mit Waren aus Konkursmassen handelte? Ach, sie wollte es gar nicht wissen. Jedenfalls hatte er lächerlich ausgesehen in diesem selbstgestrickten Pulli. Sie starrte auf ihren Salat. Tomaten, Gurken, Maiskörner, Kopfsalat, Randen. Sorgfältig schob sie den Randensalat an den Tellerrand, den mochte sie nicht. Schon floss der rötliche Saft in Richtung Rettich. Sie brachte diesen in Richtung Tellermitte in Sicherheit und opferte einen Kanten Brot, um den Randensaft zu stoppen. Sie hatte keinen Appetit. Dank Bruno war sie jetzt in dieser Zwickmühle. Musste sich mit einer befristeten Stelle vom RAV durchschlagen, sich bewähren. Bewähren, was für ein Scheißwort. Um ihre Chancen, wieder in den regulären Arbeitsmarkt einzusteigen, zu erhöhen. Und dies in der Wirtschaftskrise. Das hatte ja auch nicht sie verbockt. Sondern andere, die immer noch oder wieder fette Boni einstrichen. Aber sie musste es mit ausbaden. Sie seufzte nochmals. Ihr wurde bewusst, dass sie sich mit diesen düsteren Gedanken nur abzulenken versuchte. Hätte sie dem Polizisten etwas sagen sollen? Nein, damit hätte sie sich bloß in Schwierigkeiten gebracht. Vielleicht hatte sie sich auch getäuscht. Nein, eigentlich war sie sich sicher. Ihre Augen waren gut, auch wenn es dunkel war. Sie hätte es aber nicht beweisen können. Und doch, wenn es wirklich so war, müsste sie es sagen. Es ging sie gar nichts an. Sie würde ihre Stelle gefährden. Das fehlte noch, hier rauszufliegen wegen übler Nachrede. Sie war sich sicher. Sie hatte die Person erkannt und der Gegenstand, den sie trug, war ihr bekannt vorgekommen. Jetzt wusste sie auch, was es gewesen war. Aber es war einfach unmöglich. Oder doch nicht? Sie gabelte den Salat in sich hinein, ohne zu merken, was sie aß. Erst als sie versehentlich eine Gabel voll Randensalat erwischte, merkte sie auf. Sie schluckte das geraffelte Gemüse angewidert hinunter, neutralisierte den Mund mit etwas Brot und schob dann den Teller von sich. Nein. Fertig. Sie würde sich nicht einmischen. Sie würde es für sich behalten. Ihr konnte das Ganze schließlich egal sein. Sie schaute auf die Uhr. Noch Zeit für einen Espresso, bevor sie wieder zur Arbeit musste. Und sie könnte auf dem Rückweg rasch einen Blick in die Boutique werfen, die im Schaufenster diesen coolen Ledermantel hängen hatte. Violett. Vielleicht etwas extravagant, aber genau das mochte sie. Sie hatte ja noch etwas Geld von Großtante Salomes Erbe. Es war ein bisschen enttäuschend gewesen, dieses Erbe. Viel zu wenig, um sich einen Loft zu kaufen, von dem sie schon lange träumte. Der Bankberater hatte sie fast ausgelacht. Und so wohnte sie noch immer in der Dreizimmer-Altbauwohnung in der Ämtlerstraße. Das Geld hatte es ihr immerhin erlaubt, sich die letzten Jahre trotz Arbeitslosigkeit oder schlecht bezahlten Temporärstellen ein bisschen Luxus zu gönnen. Eine Snowboardwoche in Arosa. Ein Shoppingwochenende in London. Dieses und jenes. Nun ging das Geld langsam zur Neige. Egal, der violette Mantel musste sein. Man war nur einmal jung. Und vielleicht bin ich morgen ja schon tot, dachte sie unbekümmert.
     
    Mario Bianchera ging der Limmat entlang in Richtung Bellevue. Heute drückte eine fahle Sonne durch den Hochnebel, das Wasser war grau. Schade, dass es am Wochenende geregnet hatte. Rubina, seine Tochter, hatte sich gewünscht, in den Zoo zu gehen. Sie liebte Tiere, besonders die Riesenschildkröten und die kleinen Ziegen im Streichelzoo. Ihr zuliebe hatte er sich einen Zwerghasen zugelegt. Stattdessen waren sie ins Kino gegangen und hatten einen Film angeschaut, in dem ein Meerschweinchen, ein Maulwurf und ein Hamster die Welt retten. Rubina hatte es großartig gefunden. Er weniger. Aber das war egal, die Wochenenden gehörten der Kleinen und ihm war alles recht, wenn sie vergnügt war. Er war glücklich, dass sie sich daran gewöhnt hatte, dass der Papa nicht mehr bei Mama und ihr lebte, dass sie keine traurigen Fragen mehr stellte, die ihm das Herz zerrissen, während er sie ernsthaft und behutsam zu beantworten versuchte. Sie wechselte mit Selbstverständlichkeit zwischen zwei Wohnungen,

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