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Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Titel: Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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zwei Kinderzimmern, zwei Elternteilen und zwei Sprachen. Mario redete italienisch mit ihr, die Mama deutsch. Die schlimme Zeit der Trennung, der Schock, plötzlich allein zu sein, waren vorbei und überwunden, auch wenn er sich abends in seiner Wohnung manchmal einsam fühlte. Aber er war ja jetzt nicht mehr jeden Abend allein. Mario biss in ein Salamisandwich, das er am Verkaufsstand beim Coop gekauft hatte. Eigentlich hätte er glücklich sein können. Er war verliebt; fast hatte er vergessen gehabt, wie sich das anfühlte. Aber warum war sie nur so widerspenstig? Sie war doch auch glücklich mit ihm, das spürte er. So konnte es nicht weitergehen, er machte sich Sorgen. War es falsch, was er vorhatte? Sie war so gestresst in letzter Zeit. Vielleicht war sie so angespannt und nervös, weil die Situation nicht geklärt war. Wenn sie bei ihm war, wurde sie ruhiger, heiter, manchmal fast übermütig. Aber wenn er das Thema anschnitt, dass er diese Lügen und Heimlichtuerei nicht mehr ertrug, machte sie dicht. »Misch dich nicht ein«, hatte sie gesagt, »das ist mein Leben, das muss ich selbst klären.«
    »Es betrifft auch mein Leben«, hatte er widersprochen, »und ich möchte langsam klare Verhältnisse.«
    »Wir haben es doch schön«, hatte sie versichert. »Warum wollen wir die Situation kompliziert machen? Ich kann mir das nicht leisten.«
    Er hatte nichts mehr gesagt. Aber die Sache ließ ihn nicht los. Sie wusste, wie wichtig ihm Offenheit war. Jetzt hatte er einen Entschluss gefasst. Dennoch zweifelte er: War es wirklich richtig? Wie würde sie reagieren? Sein Herz klopfte, seine Hände wurden feucht. Mario Bianchera ging über die Rathausbrücke, die Treppe hinunter zur Schipfe und wanderte auf dem schmalen Weg der Limmat entlang, vorbei an kleinen Läden, wieder zurück in Richtung Büro.
     
    »Herr Freuler, sind Sie noch da?« Angela Legler kam ins Büro. Sie tönte gereizt. Es war fast 17.30 Uhr. Carlo, der sich gerade geduckt hatte, um seine Schuhe unter dem Pult hervorzuziehen, tauchte auf. Mist, dachte er. Sein Computer war schon ausgeschaltet, zwei Minuten später und er wäre weg gewesen. Lina war schon gegangen, Mario ebenfalls. Nur Raffaela saß noch an ihrem Pult, tat so, als ob sie mit etwas Wichtigem beschäftigt sei, und versuchte, nicht aufzufallen. Sie war sicher, dass es eine Szene absetzen würde, und das würde sie sich nicht entgehen lassen.
    »Ich wollte eben gehen«, Carlo schlüpfte in seine Jacke und griff nach seinem kleinen, vollgepackten Rucksack. Er hatte über Mittag ein paar Besorgungen gemacht, die Ingrid ihm aufgetragen hatte.
    »Ein paar Minuten Zeit werden Sie sich noch nehmen müssen.« Legler schnitt ihm den Weg ab.
    »Bitte?« Carlo blieb stehen.
    Angela legte los: »Sie haben in diesem Protokoll eigenmächtig anders formuliert, als ich es gesagt habe. Ich kann das beweisen, ich habe mich nämlich mit einem MP3 selbst aufgenommen, weil ich schon lange den Verdacht habe, dass Sie meinen Wortlaut nicht korrekt protokollieren. Zudem machen Sie auch immer wieder Grammatikfehler.«
    Raffaela war mucksmäuschenstill. Das versprach spannend zu werden.
    »Sie nehmen sich selbst auf?« Carlo Freuler blickte von seinen 1,85 m auf die 1,63 m große Frau herab.
    Sie schaute kämpferisch zu ihm hoch. »Vergessen Sie nicht, als Protokollführer sind Sie mir unterstellt. Und wenn ich sage«, ihre Stimme wurde höher, »mit diesem Gesetz wird dieses Problem gedämpft, dann steht Ihnen nicht zu zu schreiben: mit diesem Gesetz wird dieses Problem gemildert!«
    Carlo war für einen Moment sprachlos. Aber nur für einen Moment. »Und was bitte, heißt, das Problem werde gedämpft? Dämpfen Sie es im Kochtopf, zusammen mit Kartoffeln oder was?«
    »Sie haben meine Ausdrucksweise zu belassen. Ganz offensichtlich ist problemlos verständlich, was ich gemeint habe.«
    »Auch wenn Sie sich unbedingt blamieren wollen«, gab Carlo zurück, »mache ich das nicht. Das ist kein Deutsch. Und ich bin angehalten, Protokolle in fehlerlosem Deutsch zu redigieren. Hören Sie doch auf.«
    Jetzt verliert er die Beherrschung, dachte Raffaela auf ihrem Logenplatz.
    »Letztes Mal haben Sie kritisiert, dass ich zu wenig elegant formuliere, jetzt wollen Sie, dass ich diesen Quatsch nicht ändere – was soll das?«
    »Wie reden Sie mit mir?«, rief Legler. »Quatsch? Das ist mein Stil. Und der ist zu respektieren.«
    Sie genießt die Situation, dachte Raffaela. Nein, sie braucht sie. Sie ist total verspannt und

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