Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi
aufzusuchen. Er würde seine Frau identifizieren müssen.
Und dann war eine Medieninformation fällig. Besser mündlich als nur eine dürre Mitteilung. Bei dem Opfer. Streiff mochte die Medienleute nicht besonders. Ihre Spekulationen, ihre Besserwisserei gingen ihm auf die Nerven. Seine Informationen waren jeweils korrekt, aber knapp, und dumme Fragen konterte er ziemlich uncharmant.
Das Baby schrie. Es war gestillt, frisch gewickelt, genügend warm angezogen, zweifellos ausgeschlafen, gehalten, gestreichelt, herumgetragen worden. Es schrie. Fieber hatte es keins und es sah eigentlich gesund aus, voller Energie, wenn auch sein Gesichtchen krebsrot und verzerrt war. Es schrie seit drei Stunden und jetzt war es 7 Uhr morgens.
Zita und Linus Elmer saßen am Küchentisch und betrachteten es resigniert. »Ich muss bald zur Arbeit«, bemerkte Linus. Er war angezogen, aber unrasiert. Vor ihm stand eine Tasse Kaffee.
»Du solltest noch was essen«, schlug Zita vor, die in einen Morgenmantel gewickelt war.
»Kein Hunger«, brummte Linus.
»Wie konnten wir uns bloß einbilden, so ein Baby wäre einfacher in den Griff zu bekommen als eine Horde Fußball-Hooligans?«, meinte Zita.
»Gegen Hooligans haben wir andere Mittel zu Verfügung«, sagte Linus dumpf.
»Handschellen«, murmelte Zita und musterte die dünnen Handgelenke ihres Sohnes. »Wasserwerfer.«
»Wir könnten es baden«, schlug Linus vor. »Warmes Wasser beruhigt es vielleicht.«
»Vielleicht«, wiederholte Zita ohne viel Hoffnung.
»Du warst doch mal Krankenschwester«, sagte Linus. »Du müsstest doch Bescheid wissen.«
»Ich war nicht Säuglingsschwester«, grenzte Zita sich ab. »Meine Patienten haben es gesagt, wenn ihnen etwas nicht passte.«
Linus holte die lindgrüne Badewanne, die die Form eines Putzeimers hatte. Beim Kauf hatte Zita verblüfft gemeint, dann könnte sie doch ebenso gut einen gewöhnlichen Eimer für sieben Franken kaufen, aber die Verkäuferin im Babyland hatte konsterniert auf das garantiert ungiftige Material der Wanne hingewiesen. Also hatte sie pflichtschuldig die 28 Franken hingelegt.
Linus ließ warmes Wasser in den Eimer laufen, dessen Temperatur er mit dem Thermometer prüfte, und gab einen Spritzer duftenden Badezusatz hinzu. Zita zog den kleinen, brüllenden Jungen aus, entfernte die Windel und ließ ihn ins Wasser gleiten. Er war augenblicklich still, legte seine Händchen auf den Wannenrand und schaute mit weit offenen Augen die beiden großen, müden Gestalten an. Einen Moment lang genossen Zita und Linus die Stille.
»Es können keine Koliken sein«, stellte Zita fest. »Sonst wäre er jetzt nicht plötzlich ruhig.«
»Dann muss es psychisch sein«, meinte Linus und biss die Zähne zusammen.
»Es gefällt ihm nicht bei uns«, bilanzierte Zita.
Linus zuckte mitleidlos die Schultern. »Er muss sich an uns gewöhnen. Ausziehen kann er frühestens in 18 Jahren.«
Zita hob den Kleinen aus dem Wasser, trocknete ihn mit einem flauschigen, mit Häschen bedruckten Badetuch ab, wickelte ihn neu und zog ihm einen Strampelanzug an. Der Junge war immer noch still. Vorsichtig, als hätte sie es mit einer Handgranate zu tun, die jeden Moment explodieren könnte, legte sie ihn in sein Bettchen und, oh Wunder, er schloss seine Augen und war augenblicklich eingeschlafen.
»Okay, ich muss«, flüsterte Linus, »machs gut, wenn ich dazu komme, ruf ich mal an.« Er flüchtete. Zita blieb zurück. Noch ein Monat, dachte sie. Dann kann ich wieder arbeiten. Wenigstens zwei Tage pro Woche. Vielleicht gehts mit Leo bis dann ja besser. Ich sollte duschen, dachte sie. Mich anziehen, etwas essen, einen Einkaufszettel machen. Aber sie blieb einfach sitzen, spürte erst, wie müde sie war. Ach, ich lege mich nochmals hin, solange der Kleine schläft. Sie ging ins Schlafzimmer hinüber. Als sie das nächste Mal auf die Uhr sah, war es fast 9.30 Uhr. Sie ging ins Kinderzimmer, das Baby schlief noch. In der Küche machte sie sich einen Kaffee. Sie schaltete das Radio ein, startete gleichzeitig den Computer, öffnete den Browser und ging auf die Seite mit dem Polizeibericht. Ihre Arbeit fehlte ihr und sie versuchte, sich über Radio, Lokalfernsehen und die Polizeinachrichten auf dem Laufenden zu halten.
So bekam sie es an diesem Morgen gleich über zwei Kanäle mit: Kantonsrätin Angela Legler ermordet. Das war ja ein Ding. Vor ein paar Jahren hatte sie die Frau befragt, als es um ein bei FahrGut gestohlenes Fahrrad ging. Und jetzt war
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