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Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Titel: Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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stand ein Mann, jünger als er, ähnlich gekleidet, aber nicht so bunt.
    »Oh, entschuldige, hab dich verwechselt«, sagte er, »du siehst von hinten genauso aus wie ein Kumpel von mir. Vor allem wegen des Pullis.«
    Dürst schaltete rasch. »Ach, du meinst den Bruno, äh, wie hieß er doch gleich, den kenne ich.«
    »Trümpy«, ergänzte der andere bereitwillig, »der mit den Musikanlagen.«
    »Genau, Trümpy«, wiederholte Dürst, innerlich frohlockend. »Klar, bei dem hab ich kürzlich einen CD-Player gekauft. Ist der heute da?«
    »Hab ihn noch nicht gesehen. Hast du dir von ihm den Pulli ausgeliehen?«
    »Nein«, sagte Dürst stolz. »Von diesem Modell gibts zwei. Und ich habe den zweiten.«
    Er ging davon, trank dann, an einen Baum gelehnt, seinen Kaffee und fühlte sich einfach großartig. Er hatte mit großer Wahrscheinlichkeit den Steinewerfer vom vergangenen Samstag ausfindig gemacht. Vielleicht sogar einen Mörder?
     
    Lina ging neben Hannes die Aare entlang. Die Zeit der bunten Blätter war schon vorüber, am Boden lag feuchtes, braunes Herbstlaub, das Wasser des Flusses schien grau, obwohl durch die Wolken eine blasse Sonne schien. Lina liebte diese Flusslandschaft inmitten der Stadt. Sie waren bei der Lorrainebrücke hinter dem Bahnhof ans Ufer hinuntergestiegen und folgten dem U-förmigen Verlauf der Aare, die die schmale, langgezogene Altstadt umschloss. Lina fühlte sich wie befreit, seit sie Zürich verlassen hatte und in Bern aus dem Zug gestiegen war. Sie hörte die Leute Berndeutsch reden, einen weichen, runden, glänzenden Dialekt, in dem alles ein bisschen freundlicher klang als in Zürich. Auch Französisch hörte sie, eine Sprache, die ihr eigentlich nicht besonders gefiel, aber die jetzt das wohltuende Gefühl verstärkte, in einer anderen Welt angekommen zu sein. In einer Welt, in der sie zu Besuch war, in der es keinen Anlass gab, dass das Leben die Schrecken, die es bereithielt, an ihr ausprobierte. Sie fühlte sich in dieser Stadt unerkannt und geschützt. Die vergangenen Tage waren ein Alptraum gewesen. Jeden Tag war etwas neues Erschreckendes auf sie eingestürzt, Dinge, mit denen sie eigentlich gar nichts zu tun hatte. Es war, als hätte das Leben aus unerfindlichen Gründen sie, Lina, ausgesucht als Adressatin seiner bösartigen Einfälle. Der schlimmste Augenblick war gewesen, als sie Mario fand und wusste, dass er tot war. Das Gefühl von Einsamkeit, das in diesem Moment langsam in ihr hochgestiegen war und das über die Trauer, einen guten Freund verloren zu haben, hinausging, hatte sie noch nicht verlassen, trotz des Abends mit ihrer Freundin und obwohl sie jetzt bei Hannes war, der behutsam mit ihr umging, ohne seine üblichen kleinen, automatisierten Komm-mir-nicht-zu-nahe-Kapriolen.
    Die Schwellung an ihrer Stirn war zurückgegangen, aber die Stelle war violett verfärbt. Natürlich schauten die Spaziergänger, die ihnen entgegenkamen, als Erstes auf diese Verletzung, und dann erntete Hannes einen argwöhnischen Blick, was ihm ziemlich unangenehm war.
    »Sehe ich etwa aus wie so ein Schlägertyp?«, beschwerte er sich.
    Lina lachte. »Da musst du jetzt durch. Aber im Notfall werde ich bezeugen, dass ich gegen die Kellertür gerannt bin.«
    »Klar, das ist das, was geschlagene Frauen immer sagen«, gab Hannes zurück. »Hat die Polizei eigentlich herausgekriegt, wer dich so malträtiert hat?«
    »Sie haben es mir jedenfalls nicht gesagt. Die Tasche habe ich ja mit dem ganzen Inhalt zurückbekommen, also war es kein gewöhnlicher Straßenräuber. Ich bin sicher, der Raub hatte mit meiner Entdeckung der 7000 Franken zu tun. Und da laufen die Ermittlungen ja noch. Jedenfalls hat Herr Dürst, der Polizist, der mir die Tasche zurückbrachte, gesagt, ich bräuchte mir keine Sorgen zu machen. Wenn ich erfahre, wer es gewesen ist, werde ich mir die Person noch vorknöpfen. Valerie und ich hatten so eine Idee, aber das ist natürlich absurd. Falls sich Angela Legler wirklich bestechen ließ, könnte sie ja auf mich losgegangen sein. Die Gestalt, die ich davonrennen sah, war jedenfalls klein und schmal wie sie. Aber es ist natürlich gemein, das zu sagen, vor allem, da sie tot ist. Aber erzähl jetzt von dir. Wie war deine Woche?«
    Hannes arbeitete im Finanzdepartement und jetzt, während der Wintersession des eidgenössischen Parlaments, in der das Budget für das nächste Jahr beraten wurde, hatte er sehr viel zu tun. Sie hörte Hannes gern reden. Er war Deutscher und ihr gefiel sein

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