Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi
ich nie mehr zu dir zurück.«
Janine hatte sich hilflos gefühlt, überfordert. »Du musst jetzt ein großes Mädchen sein«, hatte sie es versucht. Aber die Kleine hatte nicht mit sich reden lassen. Schließlich hatte sie die Geduld verloren und Rubina in ihr Zimmer geschickt. Dort hatte sie sie weinen hören. Sie hatte zu ihr gehen wollen, aber die Tür war abgeschlossen gewesen.
»Rubina, mach auf«, hatte sie gedrängt.
»Geh weg«, hatte ihre Tochter mit tränenerstickter Stimme gerufen.
»Rubina, du machst jetzt sofort die Tür auf.« Sie hatte sich Sorgen gemacht, es ging nicht an, dass sich eine Achtjährige in aufgewühltem Zustand in ihrem Zimmer einschloss. Aber irgendwie hatte sie es doch falsch gemacht, sie war wütend geworden und das Ganze war in einen heftigen Streit ausgeartet. Schließlich hatte die Kleine gehorcht, Janine hatte den Schlüssel konfisziert, aber das war auch der einzige Erfolg der ganzen Aktion gewesen. Als Janine ihr Gute Nacht sagen wollte, hatte sich Rubina weggedreht und nichts gesagt, und später hatte sie sie wieder schluchzen gehört.
Am Samstag waren sie in der Stadt gewesen, um Trauerkleider für beide zu kaufen. Rubina hatte ihren Widerstand aufgegeben. Sie war stumm mitgetrottet mit vom Weinen noch verschwollenen Augen und hatte es nachher abgelehnt, im Sprüngli noch eine heiße Schokolade zu trinken. Zuhause hatte sie sich wieder in ihr Zimmer zurückgezogen und Janine hatte sie leise mit dem Meerschweinchen sprechen gehört. Ihr gegenüber hatte sie sich vollkommen verschlossen. Heute war es auch nicht besser gegangen.
Aber war es denn überhaupt jemals gut gegangen mit diesem Kind, diesem widerspenstigen kleinen Wesen, das nur beim Papa sein wollte und die Angebote und Annäherungsversuche der Mutter meist rundweg abgelehnt hatte? Alles war ganz anders gekommen, als sie es geplant hatte. Und dabei hatte sie doch gut geplant, was war bloß falsch gelaufen? Sie hatte gewusst, was sie wollte. Einen Mann, der für sie sorgte, und ein Kind, das sie liebte. Sie war Kellnerin im Café gewesen, in dem Mario meist morgens einen Cappuccino getrunken hatte. Er war nicht unbedingt ihr Typ Mann gewesen, aber von jener Sorte hatte sie schon genügend gekannt, die brachten es auf Dauer einfach nicht. Mario hingegen, vielleicht war er ein bisschen temperamentlos, mit der Zeit möglicherweise langweilig. Aber mit Sicherheit der richtige Vater für ihr Kind. Ein Kind wollte sie unbedingt. Einen hübschen Jungen oder ein süßes Mädchen, dem sie schöne Kleidchen und Spielsachen kaufen würde. Sie würden in einer schicken Wohnung leben. Mario verdiente genug, um ihr einen gewissen Lebensstandard bieten zu können. Es war nicht schwierig gewesen, ihn für sich zu gewinnen. An ihrem Hochzeitstag war sie überzeugt gewesen, dass sie alles richtig gemacht hatte. Nie mehr würde sie Kellnerin sein und anderen Leuten einen Kaffee bringen müssen. Nach einem Jahr war sie schwanger geworden. Alles war prima gelaufen.
Aber irgendwann war es schiefgegangen. Sie konnte nicht sagen, wann es begonnen hatte. Ab wann Mario nicht mehr so ganz der strahlend glückliche Ehemann und Vater gewesen war. Auch mit dem Kind war es von Anfang an schwierig gewesen. Rubina hatte als Baby stundenlang geweint, was hie ß geweint, gebrüllt hatte sie. So hatte Janine sich das nicht vorgestellt. Und die Kleine bevorzugte ihren Vater mit einer Bestimmtheit, die Janine gekränkt hatte. Sie hatte es beiden übel genommen, als wäre es eine Verschwörung von Vater und Tochter gegen sie. Es hatte immer mehr Streit gegeben, und irgendwann waren Mario und sie übereingekommen auseinanderzugehen, auch dem Kind zuliebe.
Janine war willens gewesen, hart zu verhandeln. Ihre Existenzsicherung würde sie nicht aufgeben. Aber das war gar nicht nötig gewesen. Mario hatte ihr die geräumige Wohnung überlassen, für die er weiterhin die Miete bezahlte, und war in eine kleine Dreizimmerwohnung gezogen, in der ein Raum als Kinderzimmer eingerichtet wurde. Er war auch bereit, den nötigen Unterhalt für sie zu bezahlen, nur für ihre Extras musste sie selbst aufkommen. Dafür nahm er die Kleine jedes Wochenende zu sich. Kein schlechtes Arrangement, fand Janine schließlich. Dank des Jobs in der Bar würde sie wieder unter die Leute kommen, vielleicht einen neuen Mann kennenlernen, und wenn Mario nicht die ganze Zeit hier war, würde ihr kleines Mädchen sie vielleicht mehr zu lieben beginnen. Männer lernte sie tatsächlich
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