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Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Titel: Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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Frau verloren zu haben und zu Unrecht des Mordes verdächtigt zu werden. In jedem Fall war seine Welt innerhalb von Stunden in Stücke gegangen. An derlei war er wohl nicht gewöhnt. Bisher hatte er Halt gehabt in einem – gelinde gesagt – gefestigten Weltbild, und es war nicht nur Gott gewesen, der ihm diesen Halt gab, sondern auch die Macht seiner eigenen Persönlichkeit, seine Fähigkeit, Menschen für sich einzunehmen, sie zu beeinflussen, ihnen auf eindringliche Weise mitzugeben, was er selbst für richtig hielt. Er hatte versucht, seine Umgebung nach seinen Grundsätzen zu formen, was ihm immer wieder gelungen war. Aber jetzt, so musste er es wohl empfunden haben, lief ihm alles aus dem Ruder, und das ging von seiner Frau aus, dem Menschen, der ihm am nächsten stand, der am wenigsten das Recht hatte, sich ihm zu entziehen. Würde ein Mensch wie Fritz Legler so weit gehen, durch einen Mord seine Ordnung wiederherzustellen?
    Streiff nahm eine Wanderkarte des Gebietes hervor und studierte sie sorgfältig. Er kramte ein Notizbuch aus der Innentasche seiner Windjacke und machte sich Notizen. Er hatte eine Idee, aber er war sich nicht sicher. Wen könnte er fragen? Er tippte eine Nummer ins Handy, wartete, stellte eine Frage. Hörte längere Zeit zu. »Danke. Hat mir sehr geholfen.« Er legte auf. Endlich konnte man den einmal brauchen. Kritzelte weiter ins Notizbuch. Es war nur eine Idee. Aber so könnte es funktioniert haben. Wenn er zurück war, musste er noch einmal mit Lena Rhyner sprechen.
    Streiff stand auf. Er warf einen letzten Blick auf den Schuppen, das Haus, den in der Tat ungepflegten Garten und ging langsam davon. Auf dem Rückweg stellte sich ihm wieder der Hund in den Weg, aber Streiff beachtete ihn nicht. Bei der Bergstation der Luftseilbahn wandte er sich diesmal zur anderen Seite und ging ins zweite Restaurant. Er bestellte sich ein Schinkenbrot und eine Cola und anschließend einen Kaffee und einen Nussgipfel. Er hatte nicht vor, hier noch Fragen zu stellen, aber der Wirt war bereits informiert, wer er war. Er sei doch der Polizist aus der Stadt, nicht wahr. Streiff nickte ergeben. Er wolle nichts gesagt haben, aber dieser Legler, das sei ein ganz komischer Typ gewesen, das habe er immer gefunden. Es würde ihn bei dem nichts wundern. Streiff hatte keine Lust zuzuhören, er blätterte eine Lokalzeitung durch. Aber der Wirt, ein älterer, dicker Mann, ließ nicht locker. »Haben Sie irgendetwas Konkretes gesehen?«, fuhr Streiff ihn schließlich an. Da sagte der Wirt nichts mehr. Streiff bezahlte und ging hinaus.
    Wenn ich schon mal hier bin, dachte er, etwas Bewegung würde mir guttun. Ich habe in letzter Zeit drei Kilo zugenommen, der Nussgipfel hätte vielleicht nicht sein müssen. Er studierte die gelben Wegweiser und machte sich zu Fuß auf den Weg ins Tal, nach Flüelen. Es ging auf einem breiten Weg durch den Wald, mäßig steil bergab. Vereinzelte Sonnenstrahlen warfen ein Muster auf den Weg. Er begegnete niemandem. Noch immer fühlte er diese angenehme Anspannung in sich, er war auf einer Fährte. Jetzt ging es um mehr als um das pflichtgemäße Abarbeiten aller möglichen Hinweise und Spuren. Wie immer in dieser Phase der Ermittlungen fühlte Streiff sich großartig. Hochkonzentriert, selbstsicher und voller Energie. Das waren die Momente, in denen er wusste, dass er den richtigen Beruf gewählt hatte. Seine Berufswahl und Ausbildung waren nicht geradlinig verlaufen. Nach ein paar Semestern Jurisprudenz hatte er das Studium abgebrochen, nachdem er, halb mit Absicht, durch eine Zwischenprüfung gefallen war. Dann hatte er mehrere Jahre als Judolehrer gearbeitet, wusste nicht, was er wirklich wollte. Neben ihm hatte seine Freundin Anikó zielbewusst ihr Pädagogikstudium absolviert und mit Bestnoten abgeschlossen. Erst mit Ende 20 war er zur Polizei gegangen, eine Entscheidung, die er nicht nur Anikó, sondern auch anderen Freunden gegenüber endlos hatte verteidigen müssen. Bereut hatte er es nie, auch wenn ihn die Routine ab und zu langweilte. Aber es gab sie immer wieder, die Momente, in denen dieses Hochgefühl in ihm aufkam, die Sicherheit, einen verzwickten Fall lösen zu können, kurz vor dem Ziel zu sein, auch wenn er die Lösung noch nicht gefunden hatte.
    Nach zwei Stunden, kurz nach dem Mittag, stand er auf dem Parkplatz bei der Luftseilbahn, stieg in den Wagen und fuhr Richtung Autobahn. Als er sich Zürich näherte, schob sich Valerie wieder in seine Gedanken. Auf sein MMS

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