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Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Titel: Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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anderen flirten. Man weiß, ob sie zusammenwohnen, ob sie verheiratet sind, Kinder haben, aber warum sie das alles tun, gerade die beiden miteinander   – Liebe ist ein unscharfer Begriff. Liebe kann vieles heißen. Man kann jemanden heiraten, verlassen, umbringen, umsorgen, einsperren, alles aus Liebe.
    Streiff blieb stehen. Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er die Umgebung gar nicht wahrgenommen hatte. Jetzt schaute er sich um. Über dem Tal lag immer noch Hochnebel. Streiff konnte sich schon nicht mehr vorstellen, wie es dort unten aussah. Die Namen der Berge, die sich aus dem Nebelmeer erhoben, kannte er nicht. Er hatte sich nie besonders für Geografie interessiert. Aber es war ein schönes Bild. Man müsste öfter aus der Stadt raus, ging es ihm durch den Kopf. Er war faul. Meist kamen Valerie und er mit dem Hund sonntags nicht weiter als bis auf den Üetliberg oder das Hörnli, wenn es hoch kam. Er könnte sie hierherführen, wenn der Fall abgeschlossen war, an einem grauen Tag, wenn es hier oben sonnig war. Wenn sie wollte. Ja, sie würde bestimmt wollen. Das würde er schon fertigbringen. Er drehte sich um und schaute den Hang hinauf. Vereinzelte Chalets, weiter oben noch ein Bauernhof, das musste der Hof der Familie Küchler sein, darüber ein Kreuz, dahinter begann der Wald. Das war wohl der Weg zu diesem Fläschseeli. Man könnte ein Feuer machen, Würste grillen und in Folie eingewickelte Kartoffeln in der Glut braten. Er klaubte sein Handy aus der Jackentasche und machte ein Foto vom Bergpanorama. »Kommst du mit mir hierher?«, tippte er ins Display und schickte das Ganze, ohne viel zu überlegen, an Valerie. Würde sie reagieren? Sein Herz klopfte. Egal, das war jetzt Schritt eins seines Wiedereroberungsprojektes. Er ging weiter, bis er zu der kleinen Tanne kam, von der aus ein schmaler Pfad scharf nach links abbog. Streiff folgte dem Pfad, der zu einer kleinen Siedlung von Ferienchalets führte. Alle aus hellem Holz, zweistöckig, mit einem Sitzplatz davor. Sämtliche Fensterläden waren verschlossen. Traditionelle, langweilige Holzarchitektur, fand Streiff. Dabei gab es doch auch sehr eigenwillig schöne, moderne Holzhäuser, aber die Eggberge hatte diese Art Architektur noch nicht erreicht. Das dritte von links, hatte die Wirtin gesagt. Das mit dem verunkrauteten Garten, gleich neben dem mit dem Golfrasen. Streiff stand vor Fritz Leglers Häuschen.
    Neben der Haustür befanden sich ein gedeckter Vorplatz mit Holztisch und Bank und daneben eine Art offener Schuppen, in dem Brennholz aufgestapelt war, zwei Liegestühle lehnten an der einen Wand, in einer Ecke stand eine kaputte Waschmaschine. An die andere Wand gelehnt waren zwei Mountainbikes, das eine größer, das andere etwas niedriger. Sie waren nicht abgeschlossen. Offenbar hatten Leglers wirklich Gottvertrauen. Streiff sah sie sich näher an. Sie waren beide blitzsauber. Ein Eimer, über dessen Rand Lappen zum Trocknen gehängt waren, und eine Batterie von Veloputzmitteln ließen darauf schließen, dass sie vor Kurzem geputzt worden waren. Streiff erinnerte sich daran, wie er seine Wohnung in Ordnung gebracht hatte an dem Morgen, nachdem er mit Anikó – da hatten Legler und er also eine Gemeinsamkeit: die äußere Umgebung in Ordnung bringen, wenn das Innenleben in Aufruhr war. An einem Nagel hing eine Windjacke. Einer Intuition folgend, nahm Streiff sie vom Haken, faltete sie zusammen und legte sie sorgfältig in eine Plastiktüte, die er in seinem Rucksack verstaute. »Das wäre dann wohl der erste Diebstahl in der Geschichte der Eggberge«, murmelte er vor sich hin.
    Er setzte sich auf die Bank. An diesem geschützten Platz war es angenehm warm. Eine Weile dachte Streiff gar nichts. Es war still, von weit weg war das Geräusch einer Motorsäge zu hören, was aber die Stille eher betonte, als dass es sie störte. Der Nebel im Tal unten war daran, sich aufzulösen. Auf dem Wanderweg ging eine kleine Gruppe Menschen. Streiff versuchte, sich in Fritz Legler hineinzuversetzen. Er war am Mittwochabend gekommen. Am Vorabend hatte er erfahren, dass seine Frau einen Liebhaber hatte, seit noch nicht einmal 24 Stunden war sie tot.
    Entweder hatte er sie umgebracht, dann musste er sich ein Alibi verschaffen. Hatte er das noch vor der Abreise getan? Oder wurde ihm das erst hier oben klar? Hatte er mit Lena Rhyner telefoniert?
    Oder er hatte sie nicht getötet. Dann saß er da oben mit dem doppelten Schock, betrogen worden zu sein, seine

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