Sau tot
hockten, noch hatte er sich jemals Gedanken darüber gemacht, daß das andere Leute stören konnte. Er war im Sauerland aufgewachsen. Folglich kannte er die Jagd – oder besser: er kannte ein paar Jäger. Er wußte, welche Autos sie fuhren. Und wenn er sich recht erinnerte, hatte er während seiner Taxifahrerzeit gelegentlich welche nach Hause kutschiert, wenn sie nach dem Kesseltreiben den Wagen lieber hatten stehen lassen wollen. Jagen war für Max ein exzentrisches Hobby – vergleichbar mit dem Sammeln von Bierdeckeln oder dem Freiwandklettern im Ruhrgebiet. Daß es Leute gab, die einen Großteil ihrer Kraft aufwandten, um das Jagen zu verhindern, wäre ihm nicht im Traum eingefallen. Da war vom blutigen »Abschlachten unserer Mitgeschöpfe« die Rede, von »grüngekleideten Lustmördern« und auf der Gegenseite von »militanten Chaoten«, die nicht einsehen wollten, daß in einer nicht mehr naturbelassenen Landschaft das Jagen zur Arterhaltung notwendig war.
Schon nach wenigen Minuten war Max klar: Die Fronten waren unauflöslich. Auf der einen Seite die Jäger, die – aus welchen Motiven auch immer – ihrer Leidenschaft frönten, auf der anderen die sogenannten Tierschützer, hauptsächlich Veganer, die nicht nur auf Fleisch verzichteten, sondern alle Produkte ablehnten, die tierischen Ursprungs waren – seien es Wollkleidung, Eier oder Lederschuhe. Die Tierschützer kämpften »gegen die Ermordung jedes einzelnen Wildstücks« – und das mit Mitteln, die nicht immer legal waren. Die Störung von Treibjagden gehörte genauso zu den Erfahrungsberichten im Internet wie die Zerstörung von Jagdeinrichtungen wie Hochsitzen und Futterkrippen. »Wir machen weiter, bis der letzte Jäger aus dem Wald vertrieben ist«, war ein Slogan, den Max in einer Stellungnahme fand. Auch die Namen der Jagdgegner waren nicht ohne: Tierbefreiungs-Forum oder Anti-Jäger-Front. Und die Gruppen verfolgten ein einziges großes Ziel: daß die Jagd in Deutschland verboten würde. Eine Sache, die Max allein schon wegen der Lobby der Grünröcke für schlichtweg undenkbar hielt.
Wie auch immer: Die Internet-Recherche hatte in Max ein bestimmtes Bild vom Jagdgegner entstehen lassen, das sich nur in Details von RAF-Sympathisanten unterschied. Als er zur Vinckestraße aufbrach, erwartete er daher eine vermiefte Studentenbude, in der die Flugblätter von der letzten Wild-und-Hund-Demo aushilfsweise als Klopapier eingesetzt wurden. Von außen sah das Haus schon mal denkbar harmlos aus. Es gab sechs Türschilder. Auf dem obersten stand Abel sowie zwei weitere Namen – eine WG augenscheinlich. Als er geklingelt hatte, dauerte es eine Weile, bis der Summer ging. Immerhin, es war jemand zu Hause. Max’ erste Solobefragung konnte beginnen. Jetzt ging es um die Wurst. Obwohl – das war sicher ein unpassender Vergleich, wenn man bei Veganern zu Gast war.
Das Treppenhaus war gesichtslos ordentlich, nicht gerade im Studentenhausstil. Im zweiten Stock stand die Wohnungstür offen, Max klopfte und machte dann vorsichtig einen Schritt in den kleinen Flur der Wohnung hinein. Einen Moment später schnellte ein Kopf um die Ecke, hellblond gefärbt und modisch strubbelig. Die Frau, zu der das Haar gehörte, hatte ein strahlendes Lächeln auf den Lippen, das jäh erstarb, als sie Max erspähte.
»Ach du liebe Güte«, sagte sie irritiert, »ich dachte, es wäre Rüdiger.« Sie kam jetzt ganz um die Ecke, offensichtlich aus der Küche heraus. Jedenfalls trug sie eine grüne Schürze, was zu ihrer wild-fröhlichen Frisur ein wenig seltsam aussah.
»Tut mir leid, damit kann ich nicht dienen«, konterte Max. »Schneidt ist mein Name.« Umständlich zog er seinen Dienstausweis aus der Tasche, »Polizeikommissariat Dortmund. Ich würde gern mit Rüdiger Abel sprechen. Wahrscheinlich ist das der Mensch, auf den Sie gerade warten?«
»Polizei?« Die Frau musterte aufmerksam den Ausweis, den Max immer noch hinhielt, »ist etwas passiert?«
»Wie man’s nimmt«, wich Max aus, »aber Herr Abel wohnt doch hier?«
»Ja, natürlich«, die Frau strich sich durchs Haar. »Allerdings ist er kurz zum Kiosk gegangen. Uns fehlt etwas Rotwein zum Kochen.«
»Darf ich warten?« Max versuchte, einen vertrauenswürdigen Eindruck zu machen.
»Natürlich«, unsicher fuhr sich die Frau mit den Händen über ihre Schürze. »Wie gesagt, ich bin grad’ beim Kochen. Vielleicht warten Sie drinnen in der Küche, sonst brennt mir glatt das Essen noch an.«
»Gern!« Max kam
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