Sau tot
ziemlich durchgeknallt, aber im Grunde genommen wahrscheinlich gar kein schlechter Mensch. Ich nehme an, die nimmt sich Tiere ins Haus, die ansonsten keine Chance haben. Eine ihrer Katzen zum Beispiel hatte ein verkrüppeltes Bein. Von Süffels einäugiger Verwandtschaft gar nicht zu sprechen. Wenn diese Tiere eine Chance haben, dann wahrscheinlich nur bei Gisela Mühldorff.« Ich ließ den Wagen an und wendete. Gott sei Dank hatte es aufgehört zu schneien. Die Straße war nur mit einer leichten Schneedecke überzogen.
»Na, wenn das denn eine Chance ist«, murmelte Max leicht sarkastisch.
»Es ist schon verrückt«, führte er dann nach kurzer Pause aus. »Heute erst wurde ich in diesen Fall hineingestoßen und seitdem habe ich drei verschiedene Leute getroffen, die sich allesamt als Tierschützer bezeichnen würden.« Max zog die Stirn kraus. »Wußtest du, daß es einen Haufen Leute gibt, die die Jagd abschaffen wollen? Ich habe vorher nie davon gehört, daß so etwas auch nur diskutiert wird.«
»Weil du dich nie damit beschäftigt hast.«
»Dann tue ich das jetzt«, Max drehte sich ganz zu mir um. »Du hast doch inzwischen Erfahrung. Sag mir, warum man Jäger wird!«
Ich schnaubte. »Woher soll ich das wissen? Naturverbundenheit, Traditionsbewußtsein, Geselligkeit. Vielleicht ist in jedem von uns der Jagdtrieb angelegt? Keine Ahnung, ehrlich nicht.«
Max sah mich nachdenklich an. »Dieser Typ aus Olpe, dieser Sigg, der verbringt seine ganze Freizeit damit, andere davon zu überzeugen, daß Jagd etwas Unverzeihliches ist. Der betreibt zwei Internetseiten. Und der läuft mit einer Trillerpfeife durch den Wald, wenn er das Gefühl hat, daß er damit einen Rehbock retten kann.«
»Das kann ich nicht nachvollziehen«, erklärte ich. »Ich bin kein Vegetarier. Und ich finde es nicht verwerflicher, einen Rehbock im Wald umzubringen als ein Schwein in Masthaltung. Zumindest hat der Rehbock vorher ein angenehmeres Leben geführt.«
»Sigg meint Jäger gehen ausschließlich in den Wald, um zu töten.«
»Nach meiner Erfahrung gehen Jäger dreißigmal in den Wald, und wenn sie Glück haben, schießen sie beim einunddreißigsten Mal ein Kaninchen. Nein, nein, da muß noch etwas anderes dahinterstecken. Eine Nähe zur Natur. Bei meinem Freund Elmar ist das ganz sicher der Fall.«
»Tierschützer Sigg sieht das grundsätzlich anders.«
Ich verzog das Gesicht. »Ich bin sicher, man würde sich niemals einigen können, wer nun wirklich Tierschützer ist. Sind die Jäger Tierschützer, weil sie den Bestand gesund halten? Oder sind die Jagdgegner Tierschützer, weil sie versuchen, das Wild am Leben zu erhalten? Oder ist man Tierschützer, wenn man so lebt wie Gisela Mühldorff?«
»Dabei wären wir wieder bei der entscheidenden Frage«, grummelte Max vor sich hin. »Ist die Frau gefährlich oder ist sie es nicht?«
»Was glaubst du?« Ich antwortete mit einer Gegenfrage. »Zieht sie gleich ihr Schrotgewehr aus dem Katzenschrank und macht sich über ihre Nachbarin her?«
»Wahrscheinlich nicht«, erwiderte Max und hatte dabei eine Sorgenfalte auf der Stirn, »aber Marlene Oberste sollte ich wohl trotzdem informieren.«
Noch während er sprach, zog er sein Handy aus der Tasche. Die Nummer seiner neuen Chefin kannte er offenbar schon auswendig.
14
War Gisela Mühldorff gefährlich oder war sie es nicht? Eine Frage, die mich bis in meine Träume begleitete. Gisela Mühldorff spielte darin die herausragende Rolle. Natürlich trug sie ihre türkisfarbene Kappe, dazu allerdings den Talar einer Richterin, salopp geöffnet. Darunter lugte ein T-Shirt mit der Aufschrift Nieder mit den Bambikillern hervor.
Das Ganze spielte im Wald auf einer Lichtung, die mir seltsam bekannt vorkam. Hier hatte ich vor Kurzem Waltermanns Leiche entdeckt. Und sofort war mir klar. Hier ging es um Rache. Immerhin hatte ich 38 Jahre lang tote Tiere gegessen. Na ja, nicht ganz, in den ersten zwei Lebensjahren hält man sich da ja ein wenig zurück. Aber trotzdem. Auch 36 Jahre sind zu viel, zumindest, wenn man dafür anschließend von einer Richterin wie Gisela Mühldorff zur Rechenschaft gezogen wird. Viel entsetzlicher jedoch, wer zu den Anklägern gehörte. Ein ganzes Rudel heimischer Wildtiere, angeführt von meinem Freund Süffel.
»Sie sind angeklagt, Ihr ganzes verfluchtes Leben lang Fleisch und Wurst gegessen zu haben«, schleuderte mir jetzt Gisela Mühldorff entgegen, die sich auf einem riesigen Baumstumpf niedergelassen hatte, der
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