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Sau tot

Sau tot

Titel: Sau tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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wohl als Richterstuhl dienen sollte. »Ungeachtet der Tatsache, daß dadurch Hunderte von Tieren ihr Leben gelassen haben.«
    »Das kann ich bestätigen.« Der Satz kam von Süffel. Ich war wie vom Donner gerührt. Seit wann konnte Süffel sprechen? Und warum hatte er überhaupt die Seite gewechselt? Vorsichtig schob ich mich hinter einen Baum. Eine Kiefer, wenn ich mich nicht täuschte. Deren Stamm deckt mich in der Breite leider nicht so ab.
    »Wie oft haben Sie im letzten Sommer gegrillt?« scholl mir Richterin Mühldorffs Stimme entgegen. »Und was ist mit dem rheinischen Sauerbraten, den es im Hause Jakobs mit Vorliebe gibt? Von der italienischen Edelsalami ganz zu schweigen, die Sie sich fast täglich zwischen die Lippen schieben.«
    »Nun, ich gebe zu -«, hilflos druckste ich herum. »Allerdings esse ich auch sehr gern Salat.«
    »Mit Putenbruststreifen!« warf Süffel vielsagend ein.
    »Nicht immer«, schleimte ich herum. Ich empfand die Situation jetzt wirklich als bedrohlich. Immerhin war Süffel nicht allein. Gut, das Kleinvieh machte mir nicht richtig Angst. Vier Füchse waren da, drei Marder und eine ganze Meute Hasen. Auch die Gruppe von Rehen wirkte nur bedingt aggressiv, lediglich ein Hirsch, der eindeutig der Hahn im Korbe war, machte richtig was her. Was mich jedoch am meisten erschreckte, waren die Blicke aus der Wildschweinrotte. Drei Eber mindestens, sicherlich genauso viele Frauen und eine ganze Heerschar Kinder im Schlepp.
    »Daß du dein Leben lang Fleisch gegessen hast, Vincent, das ist schlimm genug.« Wieder war es Süffel, der sprach. Er war der Wortführer, ganz klarer Fall. Frau Mühldorff hatte eine Lauerposition eingenommen. Die anderen Viecher stierten mich lediglich haßerfüllt an. »Aber daß du dich jetzt auch noch auf die Seite der Jäger geschlagen hast, das ist zu viel.«
    »Wie kommst du denn darauf?« versuchte ich mich herauszuwinden. »Ich bin doch gar kein Jäger. Such doch alles nach! Keine Flinte im Gepäck!«
    »Sie sind kein Jäger, das wissen wir auch«, Gisela Mühldorff lehnte sich auf ihrem Richterbaumstamm selbstgefällig zurück. »Was Sie sind, ist noch schlimmer. Ein Treiber. Die schießen nicht mal selbst. Die hetzen lediglich ihre Mitgeschöpfe den Kollegen vor den Lauf.«
    Wumm. Das saß. Was sollte ich da sagen?
    »Aber ich bin doch nur mitgegangen, weil -«, die Sauentruppe kam einen Schritt näher auf mich zu. Ich warf einen Blick auf den Stamm, hinter den ich mich geklemmt hatte. Da würde ich im Leben nicht hinaufkommen. Also versuchte ich es weiter verbal.
    »Laut gerufen habe ich auch nicht Höchstens so«, ich fiepte ein leises »hopp hopp!«.
    »Jetzt leugne nicht auch noch!« Süffel hatte plötzlich etwas Gefährliches an sich. Aus dem guten alten Zottelbär war ein Wolfsbruder geworden.
    »So sind sie, die Menschen«, kommentierte ein Fuchs. Mein Kopf fuhr herum. Die anderen Tiere konnten also genauso gut sprechen. Na, das war doch wenigstens eine Basis. Auch wenn das, was der Fuchs sagte, nicht gerade ermutigend klang.
    »Brutal und rücksichtslos«, fauchte er zu mir herüber, »und dann auch noch feige dabei.«
    »Rambos in Grün! Fehlt nur noch, daß sie bald mit dem Maschinengewehr kommen.« Diese Sprüche kamen von einem Eichhörnchen, das ich bislang noch gar nicht bemerkt hatte.
    »Ich weiß doch, was die denken«, grunzte eins der Wildschweine verbittert: »Nur eine tote Sau ist eine gute Sau.«
    »Wir haben uns lange genug unterdrücken lassen«, piepste ein Hase. Offensichtlich hatte das Kleinvieh die Rolle des Pöbels übernommen. »Länger machen wir das nicht mehr mit.«
    »Erst füttern sie uns«, bestätigte ein Reh, »und wenn’s ihnen in die Gesellschaftsjagd paßt, dann knallen sie uns ab.« Wie zur Bestätigung marschierte die Truppe weiter auf mich zu.
    Ich warf einen Blick nach hinten. Nichts als Bäume. Und keiner lud wirklich zu einer Kletterpartie ein.
    »Waltermann haben wir schon aus dem Weg geräumt«, erklärte einer der Hasen fast stolz. »Dieser Sylvester Stallone mit Jägerhut hatte es wirklich verdient. Jetzt ist der Nächste an der Reihe. Diesmal ein Treiber.«
    »Das könnt ihr doch nicht machen, Leute«, versuchte ich mein Glück, »Frau Mühldorff! Lassen Sie uns reden!« Ich warf einen verzweifelten Blick zur Chefin hinüber.
    »Genug geredet!« Süffels Ton war unangenehm. Seine Reißzähne schienen sich vergrößert zu haben. Jedenfalls blitzten sie bei jedem Wort, das ihm aus der Schnauze schlüpfte.

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