Saubande: Ein Schweinekrimi (German Edition)
wenigstens ging er ihr nicht mit seinem wichtigtuerischen Gerede auf die Nerven.
»Also, Version zwei«, schallte es durch den Stall. »›Schweine aller Weiden und Ställe vereinigt euch!‹ Das klingt zupackender, oder nicht?«
Che schien beinahe vor Stolz zu platzen.
»Finde ich beides gut«, erwiderte Kim leicht gereizt, während sie sich zur Wand herumrollte. »Aber vielleicht gibt es ja noch eine dritte Lösung, in der beides zum Ausdruck kommt – das Prägnante und das Zupackende. Denk noch mal darüber nach.«
Dann schloss sie die Augen und sah einen riesigen Trog mit frischen Möhren vor sich, die sie gerne fressen wollte, die aber leider schrecklich nach Rauch rochen, während sie langsam in den Schlaf glitt.
17
Ihr Schlaf war unruhig. Immer wieder zuckte sie zusammen, weil sie meinte, furchterregende Geräusche zu hören – dann stand ein Mann mit einer langen Peitsche vor ihr, die er laut knallen ließ, damit sie im Kreis lief, immer wieder, immer schneller, bis sie fast zusammenbrach. Der Mann hatte Kaltmanns Gesicht, entdeckte sie und erschrak noch heftiger.
Doktor Pik hatte ihr so etwas einmal von seinem Zirkus erzählt – dass es da große, merkwürdig gestreifte Tiere gegeben hatte, die von morgens bis abends unaufhörlich im Kreis laufen mussten, bis sie müde wurden und keinen Knochen mehr regen konnten.
Als Kim erwachte, bemerkte sie, dass es längst hell war und die anderen schon auf die Wiese getrabt waren, nur Doktor Pik lag genauso kraftlos wie sie in einer Ecke.
Das Gatter wurde geöffnet, und der falsche Munk trat ein. Er stützte sich auf einen Besen und lächelte sie an, und er bewegte sich in genau denselben Stiefeln auf sie zu, die der Maler Munk immer getragen hatte.
Er tut gerade so, als wäre er der richtige Munk, dachte Kim. Sie erhob sich mühevoll. Das Laufen auf dem Band gestern hatte sie fürchterlich angestrengt, jeder Muskel tat ihr weh. Diesem Munk würde sie mit Vorsicht begegnen – er war ein Mörder, auch wenn er es Dörthe gegenüber abgestritten hatte.
»Na, faule Bande«, rief Munk mit freundlicher Stimme. »Raus mit euch – ich möchte den Stall ausmisten. Habt ziemlichen Dreck gemacht.«
Kim grunzte kurz und knapp ihre Zustimmung. Auch wenn sie reinliche Schweine waren – seit Haderer tot war, hatte hier keiner mehr sauber gemacht. Diese Idee, auszumisten, konnte sie nur begrüßen. Langsam setzte sie einen Huf vor den anderen. Doktor Pik jedoch regte sich immer noch nicht.
Was hatte er gestern Abend gesagt? Dass er bald sterben würde? Ein heißer Schreck fuhr Kim in die Glieder. Er hatte schon häufiger dunkle Bemerkungen über sein Alter gemacht, dass er dreizehn Winter und vierzehn Sommer gesehen habe, aber vom Sterben hatte er noch nie gesprochen.
Der zweite Munk begann, Stroh und Exkremente zusammenzufegen, die eindeutig von Cecile stammten, die mal wieder nicht aufgepasst hatte. Leise pfiff er vor sich hin. Dass sein Bruder tot war, schien ihn nicht besonders zu beschäftigen oder traurig zu stimmen. Dabei war der Tod doch immer eine schlimme Sache. Was wäre, wenn Doktor Pik in der Nacht, ohne einen Laut von sich zu geben, gestorben wäre? Dann wäre sie jetzt gewiss furchtbar traurig und würde sich verlassen fühlen.
Kim näherte sich ihm vorsichtig und schob ihren Rüssel vor.
Doktor Pik hatte die Augen geschlossen und rührte sich nicht. Sie hatte sich nicht getäuscht – er war tatsächlich magerer geworden, unter den Augen lagen tiefe Schatten, und sein Fell war stumpf und fleckig.
Atmete er überhaupt noch? Sie hielt ihren Rüssel über seine faltige Schnauze.
»Ich möchte noch einen Moment liegen bleiben«, flüsterte Doktor Pik, ohne die Augen zu öffnen.
Kim wich zurück und lächelte. »Alles klar«, sagte sie. »Dieser andere Mann – der Bruder ist dabei, unseren Dreck wegzumachen, aber er lässt dich bestimmt noch ein Weilchen in Ruhe.« Dass dieser Munk ein Mörder war, brauchte der alte Eber ja nicht zu wissen.
Doktor Pik nickte. »Ich bin so müde«, sagte er. »So wie damals – Madame Pompadour.«
»Madame Pompadour?«
»Das war ein Pferd in unserem Zirkus – das weißeste Pferd, das die Welt jemals gesehen hat. Es konnte zählen und sich auf Kommando um sich selbst drehen und solche Sachen. Eines Morgens ist es nicht mehr aufgestanden, und drei Tage später ist es friedlich gestorben.«
»Du solltest aber wieder aufstehen«, sagte Kim und bemühte sich, möglichst sorglos zu klingen. »Ich bin sicher, dass
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