Saubere Verhältnisse
Handlung. Warum? überlegte Yvonne und lauschte mit halbem Ohr Bernhards Erzählungen vom Leben des Paares, das eine Idylle ohne Makel gewesen zu sein schien.
Nun, nachdem er ihr sein Herz geöffnet hatte, war Bernhard kaum mehr zu bremsen. Nach den Fotoalben hatte er von Helena gestickte Tischdecken hervorgeholt, von ihr genähte Kleider, Aquarelle (vor allem Gemüse- und Blumenmotive aus dem eigenen Garten), Keramikgegenstände (unter anderen die kleine grüne Vase, die Yvonne auf ihren Spaziergängen wegen ihrer Schlichtheit und prominenten Plazierung fasziniert hatte). Mit kindlichem Stolz zeigte er ihr alles, und Yvonne brachte ihre Bewunderung über die Begabung und das handwerkliche Geschick der Ehefrau zum Ausdruck.
Schließlich hatte sie ihn daran erinnern müssen, daß es schon spät war und sie den Bus erreichen mußte. Da hatte er zum letzten Mal in einer Schublade gewühlt und ihr eine Mappe mit abgegriffenen Papieren überreicht.
»Der Polizeibericht. Wenn du wissen willst, was passiert ist. Du kannst ihn mit nach Hause nehmen und ihn lesen, wenn du willst.«
Sie hatte protestiert.
»Aber ich möchte das alles gar nicht wissen. Du hast es mir ja erzählt, Bernhard.«
Aber er insistierte und stopfte die Mappe in ihre Tasche. Sie hatte die Tasche in ihren Schlafzimmerschrank gelegt, zu den zusammengerollten Nora-Brick-Kleidern, und sie hatte sie seither nicht herausgeholt.
Trotz ihres Beschlusses, mit den äußeren Beobachtungen aufzuhören, machte sie wieder ihre gewohnte Runde im Vorort, allerdings ohne den kleinen Abstecher zum Orchideenweg 9. Sie war zu dicht herangekommen, das Bild war verschwommen, sie mußte wieder etwas wegzoomen.
Der Vorort lag in einer grauen Dämmerung, rollte sich ein wie eine schnurrende Katze. Die kleinen Lämpchen leuchteten rot und orange in den Fenstern, die Gärten lagen wie schützende Umschläge um das schwach pulsierende Leben, das sich jetzt nach innen zurückzog, zu gedeckten Tischen, weichen Sofas und flimmernden Fernsehern.
Der Nebel dämpfte gnädig die Farbe des lila Hauses, und der Nachrichtenmann schaute wie immer aus seinem Loch, entblößte seine schlabbrigen Geschlechtsteile, anscheinend unbeeindruckt von der Kälte.
Die Volvo Kombis kehrten von der Arbeit zurück, einer nach dem anderen nahmen sie ihre Plätze in den Einfahrten ein. Die Leute gingen ihren Beschäftigungen nach, in den Küchen und an den Bildschirmen.
Aber alles geschah mechanisch, wie im Schlaf. Die Menschen des Vororts gingen nicht in den Winterschlaf wie der kleine Igel, den sie bei ihrem ersten Besuch getroffen hatte, aber ihr Pulsschlag wurde langsamer, ebenso wie der Rhythmus ihrer Bewegungen, das Reden dämpfte sich zu Murmeln. Während die Hände wie schlafwandlerisch ihre Pflicht taten, wanderten die Gedanken zu Traumlandschaften, weit weg von den tristen Straßen des Vororts und dem Novembernebel.
»Ich bin da«, flüsterte Yvonne ihnen zu. »Ich verlasse euch nicht.«
Als sie wieder bei sich zu Hause war, holte sie den Polizeibericht hervor, den Bernhard ihr gegeben hatte. Simon war bei einem Freund und Jörgen noch bei der Arbeit. Sie machte sich eine Tasse Tee und ein paar belegte Brote, dann setzte sie sich an den Küchentisch und begann zu lesen.
18
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Um 18.20 Uhr ging bei der Notrufzentrale der Anruf einer Frau ein, die angab, daß eine Person ermordet worden sei, im Fischadlerweg 18 in der Sommerhaussiedlung Sandberg in Åsa. Die Frau stellte sich als Helena Ekberg vor, Besitzerin des o.g. Anwesens. Sie sagte, sie sei ganz sicher, daß das Opfer nicht mehr am Leben sei. Sie klang ruhig und gefaßt und gab eine detaillierte Wegbeschreibung.
Um 18.40 Uhr trafen die Polizeibeamten Patrik Andersson und Sofie Wejmark am Tatort ein. Vor dem Anwesen parkten zwei Fahrzeuge: ein Opel Vectra, Zul. Nr. PTR 379, und ein Mitsubishi Carisma, Zul. Nr. GYY 712 .
Direkt hinter der Tür des Sommerhauses fanden die Polizeibeamten eine tote Frau mit Stichwunden. Wie sich später herausstellte, handelte es sich um Karina Toresson. Neben der Toten auf dem Boden saß Helena Ekberg in blutverschmierter Kleidung und mit einem japanischen Filetiermesser der Marke Kobe in der Hand. Auch das Messer war blutverschmiert.
Ekberg machte einen geschockten, jedoch gefaßten Eindruck. Sie gestand, Karina Toresson getötet zu haben. Der Mord war die Rache dafür, daß Toresson ein Verhältnis mit ihrem Mann gehabt und ihre Ehe zerstört habe. Sie leistete bei der Festnahme keinen
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