Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
klar. Das ist ein Zeichen. Ein Zeichen von Leo. Leo ist zurück.« Max’ Stimme zitterte.
    »Ich verstehe nichts! Gar nichts!« sagte Michel hilflos.
    Kein Wunder, dachte Will. Wir haben seit fünfundzwanzig Jahren nicht darüber geredet.
    »Leo ist zurückgekommen und nimmt Rache.« Max lehnte sich über den Tisch. Will bildete sich ein, seine Angst zu riechen.
    »Wofür denn?« Michel krümmte sich auf seinem Stuhl.
    »Als ob du das nicht wüßtest! Irgend jemand hat Leo damals verpfiffen, sonst wären die Bullen nicht so schnell auf ihn gekommen. Einer von uns.«
    Wer sonst? dachte Will.
    Julius seufzte und schob das Amulett in die Mitte des Tisches. »Rache hätte Leo früher haben können.«
    Max schob das Kinn vor. »Ich jedenfalls wüßte langsam gerne, wer der Feigling war.«
    »Keiner von uns«, stammelte Michel.
    »Michel! Warum haben wir wohl gezahlt, all die Jahre über? Tu doch nicht so, als ob das der reine Liebesdienst an Leo war!«
    »Wir hatten ein schlechtes Gewissen. Er war schließlich der einzige, den es erwischt hat.« Es hätte uns alle erwischen können, dachte Will. Aber wir haben trotzdem mitgemacht. Wir wären Leo überallhin gefolgt. Wie die braven Lämmer.
    Max hatte sich wieder aufgerichtet und schüttelte störrisch den Kopf. »Wir haben uns erpressen lassen, weil niemand von uns wirklich wissen wollte, wer ihn damals verpfiffen hat. Aus – Männerfreundschaft.« Er spuckte das Wort aus wie ein ekliges Insekt.
    »Leo hat sich die Scheiße selbst eingebrockt, Max. Und wir haben getan, was anständig war. Wenigstens hat es gelangt für ein Häuschen auf Gomera. Gegönnt sei’s ihm.«
    Man sah Julius an, was er von einer Hütte auf Gomera hielt. Besser als nichts, dachte Will und ärgerte sich für einen Moment über den Dicken, der mehr Geld hatte, als er ausgeben konnte.
    Max sah Julius an und schüttelte langsam den Kopf. »Leo war ein Spinner. Aber einer, der seinen Freund verrät, ist noch schlimmer. Und dieser Feigling wird dafür sorgen, daß wir alle dran glauben müssen. Alle. « Max flüsterte fast.
    Niemand sagte etwas. Michel spielte unruhig mit einem Bierfilz, Julius ließ den Rotwein länger im Glas kreisen als gut für den Stoff war. Und Will spürte dem tiefen Unbehagen nach, das vom Magen ausstrahlte. Bislang hatten sie zusammengehalten. Sie hatten die Zähne zusammengebissen und gezahlt und ihre mehr oder weniger großen Schuldgefühle gehätschelt. Will jedenfalls hatte sich oft genug gefragt, warum er die Tragödie damals nicht verhindert hatte. Warum er sich nicht früher eingestand, was er heute wußte: Leo war verrückt und Jenny seine neurotische Prophetin gewesen.
    »Wer war es?« Max flüsterte noch immer. »Ich will nicht sterben, bloß weil einer von uns ein verdammter Feigling ist!«
    Da geht sie hin, die fünfundzwanzig Jahre alte Freundschaft, dachte Will. Wir werden uns zerfleischen, bei lebendigem Leib, bis wir niemanden mehr brauchen, der uns vom Leben zum Tod befördert. Wir werden Leo die Arbeit abnehmen.
    Überrascht registrierte er, daß auch er im Grunde davon überzeugt war, daß Leo die beiden Freunde auf dem Gewissen hatte. Und er glaubte sogar, sein Motiv zu verstehen: Leo nahm nicht Rache für einen uralten Verrat, er nahm Rache für ein verpfuschtes Leben.
    »Max!« Julius streckte beschwichtigend eine Hand nach ihm aus, aber Max wich zurück. »Wie sollen wir denn herausfinden, wer von uns damals zur Polizei gegangen ist? Dachtest du an Wahrheitsdrogen? Oder an Daumenschrauben?«
    Max schüttelte den Kopf wie ein trotziges Kind.
    »Und was, wenn es Marcus war? Oder Thomas? Die können nichts mehr zugeben!«
    Max zog die Schultern hoch. Und dann sah er auf. Will traf der Blick, mit dem er ihn ansah, wie eine Ohrfeige.
    »Du warst damals gegen den ganzen Quatsch, stimmt’s? Du warst nicht so besoffen von Jenny, oder? Und – du warst dabei. Du wußtest alles.«
    Will nickte.
    »Dann gib endlich zu, daß du ihn verpfiffen hast!«
    Julius schüttelte den Kopf. »Max! Was bringt denn das? Wer wegen eines fünfundzwanzig Jahre alten Verrats seine alten Freunde umbringen will, ist sowieso nicht mehr ganz dicht! Soll Will sich vielleicht opfern für uns?«
    »Wer ist der nächste?« Max griff mit zitternden Fingern nach dem Rotweinglas. »Wie war’s mit dir, Julius?«
    »Unsinn. Wir sollten Leo fragen«, sagte Julius und versuchte fest zu klingen.
    »Wenn du weißt, wo man ihn finden kann!«
    »Jenny«, sagte Michel. »Sie wird es wissen.«
    »Und

Weitere Kostenlose Bücher