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Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Tod des Staatsanwalts war nicht die Rede gewesen von einem Amulett, das neben der Hand des Toten gelegen hatte. Vielleicht verschwieg man das bewußt. Vielleicht nahm man es nicht weiter wichtig. Vielleicht hatte der Mann mit den grauen Augen das Amulett an sich genommen. Dalia lächelte in sich hinein. Dann war er wenigstens nicht der Mörder.
    Um so seltsamer, daß er sie nicht erwähnt zu haben schien. Um so besser, dachte sie und schlug den Weg zur Alten Oper ein. Als sie und Wotan vor dem prächtigen alten Gebäude ankamen, strich eine Windböe über den großen Platz und die Sonne fand eine Lücke zwischen den Wolken. Die koreanischen Touristen senkten wie auf Kommando ihre Kameras und nahmen sie beide aufs Korn. Die Leute in den Straßencafés reckten die Hälse nach ihr und dem Hund. Sie wußte, welche Wirkung sie hatten, der weiße Hund und die viel zu kleine Frau mit den wehenden dunklen Haaren.
    Henry hatte sie »Schneewittchen und ihr Zwerg« getauft.

9
    »Thomas ist erwürgt worden, das steht ja wohl fest.«
    Julius sagte das seltsam ungerührt, als ob er den Wert eines entmieteten Wohnhauses taxierte. Will ließ sich neben ihn in den Stuhl fallen und beneidete den Dicken um seine Ruhe. Max tigerte durch den Clubraum des »Dionysos«, von den gelb verglasten Fenstern mit den verstaubten Grünpflanzen zur Gastraumtür und zurück. Michel rauchte Kette. Als Iannis den Kopf zur Tür reinstreckte, leerte Will das Bierglas und hob die Hand. Das wäre dann sein drittes Pils – aber wofür sollte er nüchtern bleiben?
    Max blieb stehen, stemmte sich mit den Handflächen auf den Tisch, senkte den Rumpf, schob das Kinn vor und starrte Julius und Will an. Und dann flüsterte er: »Wer ist der nächste?«
    »Was redest du da?« Der Dicke klang wegwerfend.
    »Thomas ist ermordet worden. Glaubst du vielleicht immer noch, daß Marcus’ Tod ein Zufall war?« Max’ Stimme überschlug sich fast.
    Will fühlte in seiner Jackentasche nach dem Amulett. Wie kam das Ding neben die Leiche? Hatte Thomas das Pentakel all die Jahre über stets bei sich getragen? Als Erinnerung an damals? Will hätte fast aufgelacht. Kaum zu glauben. Und – wieso sollte es ihm ausgerechnet im Sterben aus der Hand gefallen sein?
    »Che ist ermordet worden, Julius, und ich bin mir sicher, daß auch Marcus umgebracht worden ist. Verstehst du nicht?«
    »Und wenn es so wäre?« sagte Julius leise. »Was schließen wir daraus?«
    Will spürte, wie sein Magen sich hob, als er das Bier betrachtete, das Iannis vor ihn hingestellt hatte. Du hättest etwas essen sollen, dachte er und stellte sich einen Teller Gyros vor, was ihm nicht besser bekam als das innere Bild einer ordentlichen Portion Moussaka. Der Abend würde schlimm enden und der Morgen danach furchtbar sein.
    Seine Hand glitt zum wiederholten Mal in die Jackentasche. Dann umfaßten seine Finger das Amulett. Er legte das Ding auf den Tisch.
    Max blieb stehen, stocksteif, wie ein witternder Straßenköter. Michel beugte sich vor und zog die Augenbrauen zusammen. Julius legte die Hand auf den kleinen Gegenstand, hob ihn auf, hielt ihn auf Armeslänge von sich gestreckt, betrachtete ihn mit zugekniffenen Augen und legte ihn dann wieder zurück. »Ein Pentakel.«
    »Ach du meine Güte«, sagte Michel. »Diese schwachsinnige Idee von Leo. Ich glaube, ich habe meines damals weggeworfen. Danach.«
    Julius machte eine abwehrende Handbewegung, senkte das Kinn auf die Brust und schob das Amulett hin und her. »Deines?«
    Will schüttelte den Kopf.
    »Also was dann?«
    Will sah ihn an.
    »Na sag schon. Was ist damit?« Julius’ Stimme war energisch geworden.
    »Es lag neben Thomas’ Leiche«, sagte Will.
    Und dann redeten alle durcheinander, bis Julius gebieterisch den Arm hob und die flache Hand auf die Tischplatte klatschen ließ. Wie brave Untergebene drehten sich alle zu ihm hin.
    »Wer weiß noch davon?«
    »Niemand.« Außer dem Mörder, dachte Will.
    »Auch nicht die Polizei?« Julius sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an.
    »Was hätte ich der Polizei erzählen sollen? Daß wir vor fünfundzwanzig Jahren eine Art Geheimbund gegründet haben, den Leo Pentakel genannt hat? Und daß jeder von uns so ein bescheuertes Amulett bei sich trug? Und soll ich mich von denen fragen lassen, wo denn meines hingekommen ist? Vielleicht neben die Hand eines Toten?« Will versuchte spöttisch zu klingen.
    Julius schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst«, sagte er langsam.
    »Ist doch

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