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Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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übersehen, so klein war sie«? Er mußte den Mund gehalten haben, sonst wären sie längst bei ihr gewesen.
    Die Erklärung war wahrscheinlich ganz einfach. Sicher waren auch für ihn Putzfrauen unsichtbar. Für ein paar Sekunden bedauerte sie, was sie sich normalerweise zunutze machte.
    Wotan hatte seine Untersuchung der Stiefmütterchenrabatte abgeschlossen und zog an der Leine. Der Radler, der sie klingelnd überholt hatte, drehte sich nach ihr um und rief: »Träum im Bett, nicht auf dem Fahrradweg!« Dalia streckte ihm die Zunge heraus, aber sie war nicht mit voller Konzentration bei der Sache, sonst hätte sie ihm noch eine saftige Beleidigung hinterhergerufen.
    Was wäre, wenn er doch noch etwas sagte? »Ein bißchen viel Zufall, Frau Sonnenschein, finden Sie nicht?« Sie hörte die ölige Stimme des Kriminaloberkommissars, der sie vernommen hatte. Deitmer, wenn sie sich richtig erinnerte. »Sie finden bei Ihrer verdienstvollen Tätigkeit nicht nur eine Leiche – das kann schon mal vorkommen. Sondern schon eine Woche später eine zweite! Und die ist noch warm. Sind Sie nur eine Erpresserin oder auch eine Mörderin?«
    Wotan zog so heftig an der Leine, daß er zu keuchen begann. Sie folgte ihm im Laufschritt zu einem Gebüsch neben dem Ententeich. Mit wütendem Gequake und wildem Geflatter löste sich ein Entenpärchen aus dem Gebüsch. Brüten die schon? fragte sich Dalia. Oder waren die noch bei den vorbereitenden Übungen?
    Wotan kläffte begeistert. Eine Mutter mit Kinderwagen, die einer Horde quarrender und scharrender Enten Brotbrocken aus einer Tüte servierte, schaute strafend zu ihnen herüber.
    Es ist noch viel schlimmer, lieber Herr Deitmer, dachte Dalia. Wenn der Staatsanwalt ermordet worden ist, dann gilt das auch für den Banker. Und ich habe mir nicht nur große Mühe gegeben, alle möglichen Spuren weitgehend auszutilgen, ich habe auch ein Beweismittel unterschlagen, das eine Verbindung zwischen den beiden Toten herstellt. Der Banker hatte ein Amulett in der Faust, das habe ich mitgenommen. Beim Staatsanwalt lag genau so ein Exemplar auf dem Boden. Das habe ich liegengelassen. Aber da niemand von dem ersten Amulett weiß, wird auch niemand Schlüsse daraus ziehen.
    Dalia atmete tief ein und stieß die Luft geräuschvoll wieder aus. Einerseits war sie froh darüber, daß auf diese Weise weitere unangenehme Fragen ausbleiben würden. Aber andererseits war ihr die Vorstellung unangenehm, einen Mörder zu decken.
    Das führte zur nächsten Überlegung: Was bezweckte der Mörder, wenn er ein so auffälliges Indiz hinterließ? Eine Botschaft übermitteln? Dann war der Mörder vielleicht, umgekehrt, frustriert darüber, daß niemand seine sorgfältig gelegte Spur zur Kenntnis nahm?
    Was für Schlüsse hätte man denn aus dem Anhänger ziehen können? Eine Art Davidstern … Wer markiert damit seine Opfer? Ein Antisemit, der die beiden Männer für Juden hielt? Der eine, ausgerechnet, mit Geldverleih befaßt?
    Dalia runzelte die Stirn. Es hatte keinen Sinn – ihre Phantasie reichte nicht aus, sich das Kalkül eines Mörders vorzustellen. Ihr Ding war Erpressung. Gewalt mochte sie nicht.
    Wotan scharrte in einem weiteren Blumenbeet, vom Gartenamt frisch bepflanzt. Sie konnte ihn gerade noch wegziehen von dieser verführerischen Einladung zur Untat. Aus Protest kackte er mitten auf den Fahrradweg. Kurz dachte sie daran, sich stellvertretend für den Rüpel von vorhin an allen Fahrradfahrern zu rächen, holte dann aber doch die Plastiktüte für Hundegeschäfte aus der Tasche.
    Viel unangenehmer war die Vorstellung, daß der Mörder sie womöglich kannte. Es hatte ja in der Zeitung gestanden, daß Saitz von einer Reinigungskraft der Firma Pollux gefunden worden war – zwar nicht, von welcher, aber das war sicherlich herauszufinden. Wenn der Mörder also annehmen mußte, daß sie das Amulett an sich genommen hatte …
    Und … sie hielt die Luft an. Und wenn der Mörder es absichtlich so eingerichtet hatte, daß sie auch den zweiten Toten fand? Der Gedanke machte ihr plötzlich und unerwartet angst.
    Wotan preßte sich an ihr Bein und winselte leise. Sie beugte sich zu ihm hinunter und streichelte sein seidiges Fell. Der Hund merkte immer, wenn sie sich Sorgen machte. Auch wenn es unnötige waren. Und diese hier waren völlig unnötig: Niemand wußte, daß sie das kleine runde Ding an sich genommen hatte. Und niemand wußte, daß das Ding überhaupt von Bedeutung war – auch in den Berichten über den

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