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Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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nur in Frankfurt, dann im Großraum Frankfurt, dann in ganz Hessen – und schließlich bundesweit: Fehlanzeige. Wahrscheinlich ist sie längst verheiratet, dachte Will und versuchte sein Glück mit Leo. Leo Curtius. Er schien in seiner Hütte auf Gomera kein Telefon zu haben – oder er hatte seinen Anschluß nicht eintragen lassen.
    Dann suchte er Dalia Sonnenschein. Auch sie schien die Öffentlichkeit der Telefonauskunft zu scheuen. Schade, dachte Will und sah ihre Augen vor sich. Er wollte sie wiedersehen – und wenn es nur um die Frage ging, warum er der Kripo nicht gesagt hatte, daß er sie aus dem Zimmer des Toten hatte kommen sehen. Er hatte das Gefühl, daß sie die Antwort wußte.
    Irgendwann hielt er es nicht mehr aus, nichts zu tun, packte seine Sportklamotten ein und verließ die Wohnung. Er brauchte heute das Krafttraining wie eine Droge.
    In der Münchner Straße ballte sich das übliche Völkergemisch. Anatolisch aussehende Männer standen beieinander und redeten aufeinander ein, zierliche, thailändisch aussehende Frauen kamen aus den Asienläden, vollbepackt mit Tüten. Will sehnte sich plötzlich nach Veras – nach seiner! – Küche, nach dem Wok, nach den scharfen Messern und den scharfen Gewürzen und nach dem Thaigemüse, das er manchmal hier gekauft hatte, wenn er vom Krafttraining kam. Er spürte den Geschmack jener kleinen Auberginen im Mund, die explodieren, wenn man in sie hineinbeißt. Hatte die Schärfe von Ingwer auf der Zunge, den Duft von Zitronengras in der Nase.
    Endlich wieder kochen dürfen.
    Vergiß es, dachte er. Für Karl ist das nichts. In dem Alter mag man nichts Scharfes mehr.
    Vor der türkischen Bank saß ein blonder Mann mit Vollbart neben einem altdeutschen Schäferhund, vor sich eine Keksdose, in der sich ein paar Cents und Euros befanden. Die Polizeistreife an der Ecke diskutierte mit zwei ausgemergelten Jugendlichen, Junkies, wahrscheinlich. Und Touristen in praktischen Freizeitblousons beäugten mit blitzenden Augen die Auslagen der Sexshops.
    Aus Dolly Busters Etablissement hörte man »Relax, don’t do it, when you want to suck to it«, und Will hätte sich fast mitbewegt zu dem treibenden Rhythmus. Ob er auch mal hier landen würde, in einem der Pornokinos, die Hand in der Hose? Die Vorstellung war ihm peinlich. Aber noch peinlicher war ihm, daß sie ihm vertraut vorkam, die Gestalt, die in der Eingangshalle stand und mit dem Mädchen an der Kasse redete.
    Will spürte Hitze im Gesicht und ging hastig weiter. Eigentlich glaubte er, kein Moralapostel zu sein. Außerdem war er aus dem Alter heraus, in dem er noch glaubte, Menschen jenseits der 40 dächten nicht mehr an Sex, und die Eltern hätten es höchstens bei der Zeugung noch miteinander getan. Und dennoch – mit allem hatte er gerechnet, nur nicht damit, daß es ausgerechnet seinen Vater hierhin trieb.
    Er versuchte, sich die Szene beim Krafttraining aus der Seele zu arbeiten. Aber je länger er trainierte, desto größer wurde die Wut auf den Alten, auf diesen Betonkopf mit seiner Doppelmoral. Der Vater trieb sich in Pornoschuppen herum. Aber beim Sohn war es schon anstößig, wenn die Kripo ihn als Zeugen befragte. Doch was er dem Alten wirklich verübelte, war, daß er sich wieder als kleiner Junge gefühlt hatte beim Streit mit dem alten Sturkopf, als lägen nicht Jahrzehnte von Lebenserfahrung zwischen damals und heute.
    Er war froh, daß der Alte nicht da war, als er zu Hause ankam. Will duschte ausgiebig, machte sich einen Kaffee und ging, schon etwas milder gestimmt, an seinen Schreibtisch. Oben auf die Post hatte sein Vater die letzte Telefonrechnung gelegt. Er hatte Karl angeboten, wenigstens die Kosten fürs Telefon zu übernehmen, wenn er sich schon nicht an der Miete beteiligte. Der DSL-Anschluß war schließlich seine Idee gewesen, und er würde gewiß öfter telefonieren als der alte Herr, der, soweit er wußte, keine Freunde hatte, bei denen sich ein längeres Telefongespräch lohnte.
    Eher flüchtig ging sein Blick über die Rechnung. Er hatte mit der Grundgebühr gerechnet und mit weiteren zehn, höchstens zwanzig Euro für die Verbindungen. Die Endsumme von 262,80 Euro entgeisterte ihn. Das erklärte das strahlende Lächeln Karls und die mangelnde Gegenwehr auf den Vorschlag seines Sohnes. Verarschen kann ich mich selbst, dachte Will. Eine monatliche Telefonrechnung in dieser Höhe würde seinen Etat völlig überreizen.
    Er blätterte zur zweiten Seite. Einen Einzelverbindungsnachweis

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