Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
Kuriosa und einen kleinen Vorgeschmack auf die Zukunft der Medizin.
Das wird allerdings nicht immer so bleiben. In einigen Jahren wird die Gendiagnostik wahrscheinlich zu einem außerordentlich wichtigen Verfahren herangereift sein, das tonnenweise nützliche Informationen liefert. Wer ein erhöhtes Lungenkrebs-Risiko hat, kann sich vor Passivrauch in Acht nehmen. Und die Ärzte werden uns Medikamente in maßgeschneiderten Zusammensetzungen und Dosen verschreiben können.
Diese Flutwelle neuer Informationen wird ganz neuartige Probleme mit sich bringen. Eine Reihe genetischer Defekte und Prädispositionen wird diagnostizierbar, aber nicht therapierbar sein: Krankheiten, die wir nicht heilen, Anfälligkeiten für bestimmte Umweltfaktoren (wie in meinem Fall die Muttermilch), die wir nicht nachträglich korrigieren können.
Ich habe gerade ein fantastisches, aber auch unheimliches Buch gelesen: Origins. How the Nine Months Before Birth Shape the Rest of Our Lives von Annie Murphy Paul. Sie beschreibt darin, in welchem Ausmaß ungeborene Kinder durch das Verhalten der Mutter geprägt werden. Arme Julie. Unsere Söhne werden früher oder später erfahren, was sie während ihrer Schwangerschaften alles falsch gemacht hat. »Du hast ungefilterte New Yorker Luft geatmet? Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?«
Die Gendiagnostik wird uns in ein Dilemma stürzen: Wollen wir alles wissen – oder lieber unwissend bleiben? Beides hat seinen Preis. Ich für mein Teil würde wahrscheinlich in einen Apfel von diesem Baum der Erkenntnis beißen. Ich würde gerne alles über mein Genom erfahren, trotz der Probleme, die dieses Wissen nach sich ziehen könnte.
Julie ist sich da nicht so sicher. Sie ist der Ansicht, dass Unwissenheit durchaus ihre Vorteile hat. Doch mir zur Freude hat sie sich trotzdem bereit erklärt, ein Röhrchen Spucke an mein Genlabor zu schicken. Und wieder hatten wir Glück: Sieht man mal von ihrem erhöhten Risiko ab, heroinsüchtig zu werden (ein Problem, das uns bisher noch nicht allzu sehr beschäftigt hat), weisen ihre Gene so gut wie keine Risikofaktoren auf.
Wir riefen dann gemeinsam eine wissenschaftliche Beraterin des Labors an, um sicherzugehen, nichts übersehen zu haben. Sie bestätigte uns, dass Julies Gene so weit völlig in Ordnung seien.
»Mir ist aber ein Punkt aufgefallen, zu dem ich Sie gerne etwas fragen würde«, sagte ich.
»Welcher denn?«, fragte die Beraterin.
»Laut Laborbericht hat sie rs1800497«, sagte ich. »Und in der Erklärung dazu steht, dass Menschen mit dieser Genvariante wesentlich langsamer lernen, Fehler zu vermeiden.«
»Nun, dieser Kommentar ist mit nur einem Stern versehen. Das bedeutet, dass die entsprechenden Forschungsergebnisse aus unserer Sicht noch nicht als gesichert gelten können.«
»Aber interessant ist es schon«, sagte ich. »Das bedeutet doch, dass sie sich schwertut, aus Fehlern zu lernen, oder?« Beispielsweise löscht Julie hartnäckig die Folgen von Mad Men , bevor ich sie gesehen habe, obwohl ich sie schon x-mal gebeten habe, mich vorher zu fragen.
»Mein Mann versucht gerade, Ihnen eine Falle zu stellen«, sagte Julie.
Die Beraterin reagierte professionell. »Bisher liegt nur eine Studie an 26 deutschen Probanden vor. Eine solche Untersuchungsgruppe ist eigentlich zu klein, als dass man daraus verlässliche Rückschlüsse ziehen könnte.« Und dann sagte sie noch, dass der Kommentar zu rs1800497 eher als Kuriosum zu werten sei denn als fundierte wissenschaftliche Erkenntnis.
»Ich find’s trotzdem interessant«, sagte ich.
Nachdem wir aufgelegt hatten, fragte Julie mich, ob man bei mir eigentlich das Nervensägen-Gen gefunden hätte.
KAPITEL 23
Die Hände
Fitness für die Finger
Gerade habe ich das Buch Hands ausgelesen, das der britische Mediziner John Napier 1980 veröffentlichte. Ein wunderbares Werk. Mit seiner Mischung aus Anatomie, Geschichte und lyrischen Hymnen auf die Hände ist es ein Klassiker der Handliteratur (übrigens ein wesentlich umfangreicheres Genre, als zu vermuten wäre). Und es hat mir die Augen geöffnet, schon allein mit Sätzen wie diesem: »Zoobesucher verfallen in Entzücken, wenn ein Elefant mit seinem Rüssel nach einem Apfel greift …, doch den unbeschreiblichen Fähigkeiten ihrer eigenen Hände schenken sie keine Sekunde lang Beachtung.«
Napier hat recht. Wir betrachten unsere Hände als etwas völlig Selbstverständliches, mit Ausnahme irgendwelcher Drittsemester, die bekifft in der Ecke
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